Camilleri: Il tailleur grigio

Wolfgang Krisai: Lesender Mann. Bleistift.

Wolfgang Krisai: Lesender Mann. Bleistift.

Diesen Roman kaufte ich mir 2008 während der Projektwoche mit der 4A in Venedig, und zwar in der Buchhandlung im Einkaufszentrum in Mestre.

Jetzt las ich ihn innerhalb eines Tages, nämlich gestern. Ausgezeichneter Roman. Der einen im Unklaren lässt, was da wirklich vor sich gegangen ist.

Ein älterer Herr erlebt den ersten Tag in der Pension – und wird durch einen vor Jahren erhaltenen anonymen Brief, in dem er auf einen Seitensprung seiner um 20 Jahre jüngeren Frau Adele hingewiesen wurde und den er jetzt wieder unter die Finger bekommt, zum Nachdenken und Erinnern angeregt. Wir erfahren, dass er Adele, die jung verwitwet war, kennen lernte, nachdem ihr Mann gerade verunglückt war. Sie trug damals ein graues Kleid. Bald heiraten sie, zunächst gibt es wilden Sex, Adele ist ganz unersättlich, doch bald flaut das ab, die Villa wird in zwei getrennte Wohnungen geteilt, die nur durch eine Tür verbunden sind. Adele macht Seitensprünge, u. a. sogar hier im Haus mit einem entfernt verwandten Architekturstudenten, den sie einquartiert hat.

Der Mann fühlt sich in den nächsten Tagen komisch, konsultiert einen Arzt, wird ins Krankenhaus gebeten, untersucht, operiert, wieder untersucht: Krebs. Im Endstadium.

Er wird nach Hause entlassen, Adele pflegt ihn hingebungsvoll, verabreicht ihm höchst persönlich alle Medikamente und Spritzen. Als er einmal an ihrem Schreibtisch zu sitzen kommt, liegt dort ein angefangener Brief Adeles an eine Freundin, in dem sie sagt, sie habe erst jetzt gemerkt, dass sie ihn liebe.

Und am nächsten Tag entdeckt er im Papierkorb eine detaillierte Liste, was nach seinem Ableben alles zu erledigen sei. Das ernüchtert ihn. Er will sich umbringen, doch die Pistole ist – wohl von Adele – aus seinem Schreibtisch entfernt worden.

Wenige Tage später geht es mit ihm zu Ende – und Adele trägt wieder ihr graues Kleid, wie immer, wenn sie vom Tod betroffen wurde.

Was ich mich da frage: Hat sie ihren Mann vergiftet? Oder ist sie wirklich eine plötzlich liebevolle, hingebungsvolle Pflegerin gewesen? Die kalte Liste mit den To-Do’s macht das unwahrscheinlich, sie wirkt berechnend. Die tolle Liebe könnte vorgespielt sein – im Bewusstsein, dass Adele nicht lange schauspielern muss.

Der Roman ist in der typischen sizilianisch beeinflussten Sprache geschrieben, die ich schon von den Montalbano-Krimis her kenne. Manchmal muss man ein bisschen nachdenken, was die Wörter bedeuten könnten (veddro zum Beispiel bello), auf einige bin ich überhaupt nicht draufgekommen. Man kann jedenfalls nicht im Wörterbuch nachschlagen, denn da stehen diese dialektalen Ausdrücke nicht drin.

Buchdaten:

Camilleri, Andrea: Il tailleur grigio.

Romanzo.

Mondadori, Milano 2008.

141 Seiten.

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Eingeordnet unter Italienische Literatur

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