Rhea Krčmářová: Venus in echt.

Skizze nach Robert Bereny: Frau vor dem SpiegelIch entspreche ja selbst nicht ganz der Norm mit meinen fast zwei Metern, deswegen lese ich auch gern Bücher über Menschen, die nicht der Norm entsprechen. Im Fall von Rhea Krčmářovás Roman „Venus in echt“ handelt es sich dabei um dicke Frauen – und ihre Liebesprobleme. Gleich vorweg: Das ist ein „expliziter“ Roman, der nicht für kleine Kinder geschrieben ist. Aber er ist keine Pornographie, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Problem, das sogenannte „Plus-Size-Frauen“ in unserer Gesellschaft mit ihrem Körper haben (können).

Plus-Size-Probleme

Im Roman ist es Romy Morgenstern, die nicht gerade dem Idealbild der schlanken Dame entspricht, das bei uns Medien, Modeindustrie und Gesundheitswesen in seltsamem Schulterschluss propagieren. Die junge Gamedesignerin hat schon alles versucht, dünner zu werden, aber sie ist gescheitert. Und jetzt will sie gescheiter werden: Sich und ihre Körperfülle annehmen, und hoffentlich trotzdem den Mann fürs Leben finden. Irgendwann. Zunächst aber verordnet sie sich eine „Quest“, wie sie das als Gamerin nennt, um mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Zunächst mal: Schluss mit dem Schlankheitswahn. Sie wird keine Diät mehr machen, sich nicht mehr in wallende Säcke verhüllen, die Öffentlichkeit nicht mehr meiden.

Sie beginnt einen anonymen Blog unter dem Decknamen „Venus in echt“, in dem sie ungeniert über ihre amourösen Erfahrungen bloggt – und der ihr fast zum Verhängnis wird. Außerdem surft sich im Internet durch zahllose Plus-Size-Webseiten und entdeckt, dass es da eine ganze Welt der Körperfülle gibt, die sie nur bisher nicht wahrgenommen hatte. Das stärkt schon mal ihr Selbstbewusstsein.

Sie geht bei einer Burlesque-Tanzlehrerin in einen Kurs. Auf die Idee wurde Romy von ihrer Freundin Olga gebracht, die auch sonst den Weg Romys aus der Isolation tatkräftig mitbegleitet, genauso wie Barkeeper Cem, bei dem Romy immer ein verständnisvolles Ohr findet. Die beiden „glauben an sie“, ganz im Gegensatz zu ihren Arbeitgeberinnen, die sie fallen lassen, als sie von ihrem Blog Wind bekommen. Der ungenierte Inhalt könnte die amerikanischen Geschäftspartner, die im Ruf puritanischer Prüderie stehen, verschrecken, und das kann und will man sich in dieser Branche nicht leisten. Bis auf weiteres also keine Arbeit mehr an Computerspiel-Figürchen.

Da der Blog nun aber mal öffentlich ist, entwickelt er sich – nach einer Schrecksekunde – zu einem Instrument der Eigenwerbung, wie Romy es sich nie erwartet hätte.

Das mit der Liebe lässt sich schwierig an: Sie findet zwar schnell Männer, die eine Vorliebe für Dicke Damen (um mit Heimito von Doderer zu sprechen) haben, aber die Beziehungen haben alle einen Haken: Robert ist verheiratet (erweist sich aber dennoch als ein verlässlicher und verständnisvoller Partner in Krisensituationen); ein anderer ist ein verquerer Sex-Nerd, der nur an sein eigenes Lustgefühl denkt; die bisexuelle Schwedin Birte wäre eine tolle Sexpartnerin, sie werden aber gleich beim ersten Mal von Birtes Ehemann in flagranti ertappt, und auch wenn dieser sich dann doch zu einem Dreier einladen lässt, wird es mit Birte nichts. Auch Solo-Sex ist auf die Dauer nicht das Wahre.

Romys Liebe fokussiert sich bald auf Erik, der sie bei einem Weinviertler Heurigen zum ersten Mal v… – und dann mit ihr eine Zeitlang in einem Stadtrand-Häuschen versteckte Liebesnächte verbringt, angeblich, weil er in Scheidung lebt und sich derzeit unmöglich mit einer anderen irgendwo zeigen darf, um seine Rechtsposition im Scheidungsprozess nicht zu verschlechtern. Als Romy erfährt, dass der miese Kerl längst geschieden ist, stellt sie ihn zur Rede und bekommt die Wahrheit ins Gesicht geknallt: Mit so einer fetten Wuchtel kann Erik sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen, was würden da seine Kollegen und Freunde sagen! Klar, dass nach diesem Tiefschlag der Ofen aus ist, obwohl es Romy schwerfällt, den tollen Hecht zu vergessen. Ein gewichtiger rumänischer Opernsänger muss einspringen, verflüchtigt sich aber gleich wieder ins Ausland. Gefühlslagenmäßiger Tiefpunkt, zumal just zu dieser Zeit die Sache mit dem Blog auffliegt.

Doch Romy ist klar: all diese Probleme sind Teil ihrer Quest, und sie darf nicht aufgeben. Daher kommt es schließlich verdienter Maßen zum Happy End: Erik vergeht vor Sehnsucht und kann Romy nach Wochen wieder sprechen. Sie gibt ihm noch eine Chance, aber erst nach einer Quest, die sie persönlich ihm stellt. Und diese Quest hat es in sich und bildet den Höhepunkt des Romans. Mehr will ich hier nicht verraten, obwohl es mich in den Fingern juckt.

Sprache der Fantasy-Gamerin

Der Roman ist nicht nur inhaltlich gelungen, sondern auch stilistisch, denn Rhea Krčmářová verwendet, passend zum Beruf ihrer Heldin, eine Fülle von Vergleichen und Metaphern aus der Welt der Fantasy-Computerspiele und Fantasy-Literatur. Man muss zum Glück kein Experte auf diesen Gebieten sein, um die Vergleiche zu verstehen, und zumindest die auf Tolkiens „Herr der Ringe“ basierenden versteht man auch als Nicht-Nerd zur Gänze. Die Autorin hat übrigens an der Universität für Angewandte Kunst in Wien eine Schriftstellerinnen-Ausbildung, die es dort seit einigen Jahren gibt, absolviert. Das hat sein Gutes, denn im ganzen Roman gibt es keinen sprachlichen Fauxpas bis just bei diesem Wort: „Fauxpass“ steht auf Seite 227. Auch egall.

Begeisterte Fans

Ich habe die Autorin übrigens bei der Präsentation ihres Buches in der Buchhandlung Thalia W3 in Wien erlebt, wo sie vor sehr zahlreichem Publikum las und Fragen beantwortete. Schon als sie auf die Bühne trat, gab es tosenden Applaus. Die Dame hat zahlreiche Fans.

Rhea Krčřová: Venus in echt. Roman. edition a, Wien, 2013. 253 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Skizze nach dem Gemälde „Frau vor dem Spiegel“ von Róbert Berény (ungarischer Maler, 1887 – 1953).

4 Kommentare

Eingeordnet unter Österreichische Literatur

4 Antworten zu “Rhea Krčmářová: Venus in echt.

  1. Klingt so als würde sich das Lesen des Buches wirklich lohnen. Spannend weil es vermutlich ein Buch sein wird auf das ich von allein nicht gekommen wäre. Danke für die schöne Besprechung.

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    • Ich habe das Buch durch eine Lesung in der Buchhandlung Thalia Wien Mitte kennengelernt – und die Autorin dadurch auch. Sie ist gewissermaßen Kollegin – denn auch ich habe einst auf der „Angewandten“ studiert.
      lg,
      Wolfgang

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  2. Danke für die leseanregende Besprechung!
    Gruß in die Hauptstadt der fröhlichen Melancholie

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