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Fanny und Robert Louis Stevenson: Südseejahre.

Wolfgang Krisai: Strand bei Giens, Frankreich. Ölpastell.

Aus beruflichen Gründen suchte ich alle meine Stevenson-Bücher zusammen und kam auf eine erstaunliche Anzahl, fast alle noch ungelesen. Darunter auch die „Südseejahre. Eine ungewöhnliche Ehe in Tagebüchern und Briefen“ von Fanny und Robert Lous Stevenson, die ich nun auch gleich gelesen habe.

Den Großteil des Bandes machen die Tagebucheintragungen Fanny Stevensons aus, etwa ein Viertel, schätze ich, umfassen Briefauszüge von Robert Louis Stevenson. Darüber hinaus gibt es Einleitungen, Worterklärungen und Anmerkungen.

Fanny Stevenson

In der Einleitung wird Fanny Stevenson vorgestellt. Sie war Amerikanerin – Stevenson hingegen Schotte – aus Indianapolis mit Namen Fanny Vandegrift. Sie war eine energische Frau, nicht gerade eine Schönheit, aber eine Person, die auf ihre Selbständigkeit in einer Zeit bedacht war, in der es für Frauen noch kaum Selbständigkeit gab. In erster Ehe war sie mit einem Filou verheiratet, der in Kalifornien sein Glück suchte, es aber nicht fand. Auch Goldsucherei in den verschiedensten Goldrausch-Gegenden half da nicht.

Fanny trennte sich mehrmals von ihm, versuchte es dann wieder mit ihm – sogar noch, als sie Robert bereits kennengelernt hatte, und zwar in der Nähe von Paris, in Grez, wo es eine Künstlerkolonie gab. Stevenson verliebte sich in sie, doch sie nahm zunächst kaum Notiz von ihm.

Horrortrip und Hochzeit

Erst als ihr neuerlicher Versuch, die Ehe zu retten, schiefging, telegrafierte sie Robert, der daraufhin Geld zusammenkratzte und nach Amerika fuhr, per Schiff und dann per Bahn quer über den Kontinent nach Kalifornien. Für den lungenkranken Schriftsteller ein „Horrortrip“ (S. 19).

Die beiden heirateten, ohne dass sie die Eltern zuvor informierten. Erst später gelang es Fanny durch ihre zupackende Art, die Anerkennung von Stevensons Vater, einem Leuchtturm-Ingenieur, zu gewinnen.

Günstiges Klima für den Kranken

Auf einer Pazifikreise fanden die beiden heraus, dass Robert das Klima in Samoa besonders guttat, sodass sie beschlossen, sich dort dauerhaft anzusiedeln. Robert kaufte ein Stück Land in Vailima auf der Insel  Upolu (heute zum Staat West-Samoa gehörig) in der Nähe des Ortes Apia. Von 1890-94 lebten sie dort, bis Robert am 3. 12. 1894 an einer Gehirnblutung starb.

Dann zerfiel der Stevenson-Clan, der sich um ihn geschart hatte. Fanny überlebte ihn um 20 Jahre, die sie aber nicht in Samoa verbrachte. Allerdings liegt sie heute dort neben Robert in Vailima auf einem Hügel begraben. Das Haus der Stevensons ist heute ein Stevenson-Museum.

Managerin und „Bauernseele“

Fanny beschreibt in ihrem Tagebuch vor allem das Mangement des Haushalts und Landguts, das großteils ihre Aufgabe war. Sie musste sich zu einer Chefin zahlreicher samoanischer Dienstboten und Farm-Arbeiter entwickeln, aber genauso zu einer kundigen Bäurin. Dabei hatte sie durchaus schriftstellerische Ambitionen und ärgerte sich sehr, als Robert ihr einmal sagte, sie habe eine „Bauernseele“, sei aber keine Künstlerin (S. 62).

Tatsächlich konnte sie mit den für europäische Verhältnisse sehr gewöhnungsbedürftigen Bedingungen in Samoa gut umgehen. Sie durchschaute die Listen der Samoaner und hielt sie erfolgreich zur Arbeit an, auch wenn sie sich zum Teil über deren Unfähigkeit ärgern musste. Sie beschaffte Saatgut, pflanzte Kaffee, Kakao, Ananas, Mais, Kürbisse und zahllose andere Pflanzen, beaufsichtigte die Nutztiere (Hühner, Schweine, Pferde, die alle ihre Eigenheiten hatten) und leitete gemeinsam mit Robert den Bau ihres Landhauses. Zunächst mussten sie sich mit einer elenden Hütte zufriedengeben, bis dann das stattliche Herrenhaus fertig war. In dieses zogen dann auch Stevensons Mutter und Fannys Sohn Lloyd und ihre Tochter Belle samt Ehemann Joe Strong und Kind Austin ein. Belle entwickelte sich zu einer unentbehrlichen Sekretärin Roberts, der ihr seine Werke diktierte. Was Fanny, krankhaft eifersüchtig, nicht immer goutierte.

Man erfährt einiges über die Beziehung zu den ortsansässigen Weißen (sie war nicht immer friktionsfrei) und zu den Samoanern, von denen Robert der „Geschichtenerzähler“, „Tusitala“ auf Samoanisch, genannt wurde.

Drei Kolonialmächte

Samoa war damals eine seltsame Art von Kolonie: Die Inselgruppe wurde von drei Mächten gemeinsam regiert: den USA, England und Deutschland. Das konnte nicht gut gehen, daher musste ein unabhängiger Mann als Schiedsrichter fungieren, Conrad Cedarcrantz, eine schwedischer Diplomat, der als „OR“ (Oberster Richter) in Fannys Tagebuch aber nicht gut wegkommt, da er vor allem auf Selbstbereicherung aus war.

Krieg und geköpfte Frauen

Das letzte Jahr Stevensons wurde von einem Stammeskrieg in Samoa überschattet, in dem Stevenson vergeblich zu vermitteln versuchte. Zwei samoanische Würdenträger wurden von den Kolonialherren gegeneinander aufgewiegelt, beanspruchten beide die Königswürde und gingen schließlich mit kleinen Armeen aufeinander los. Dabei kam es zu üblen Szenen. Unter anderem wurden drei Frauen geköpft, obwohl das als extrem unehrenhaft galt, und der unterlegene Kronprätendent musste ins Exil gehen. (Kaum war Laupepa, der Sieger, 1898 gestorben, wurde Mataafa, der Unterlegene, zurückgeholt, von den Kolonialmächten 1900 als König eingesetzt und regierte als solcher 12 Jahre lang! Das erfährt man aus den biographischen Informationen am Ende des Buches.)

Zuvor kümmerten sich die Stevensons um die im örtlichen Gefängnis eingesperrten Häuptlinge der unterlegenen Seite. Das Gefängnis beaufsichtigte damals übrigens eine österreichischer Offizier namens Wurmbrand. Dem waren Stevensons Besuche im Gefängnis gar nicht recht, weil er fürchten musste, dass dadurch Aufruhr unter der Bevölkerung entstand und die Stevensons in Gefahr geraten könnten. 

Melancholie und Depressionen

Die letzten Monate werden im Buch vorwiegend durch Roberts Briefe an seinen Freund Sidney Colvin abgedeckt, der auch der erste Herausgeber der „Vailima-Letters“ war (1895). Fanny schrieb nichts in ihr Tagebuch, da sie vermutlich von Depressionen heimgesucht war. Was, finde ich, kein Wunder ist, wenn man all die Widrigkeiten ihres Lebens in Betracht zieht. Doch auch Roberts Briefe sind von Melancholie und Selbstzweifeln überschattet, zumal er in der Kriegssituation und danach, wo er vielfach als Berater der Samoaner tätig war, nicht abschätzen konnte, ob er immer das Richtige riet und tat. Umso mehr freut es ihn, wenn er von den Samoanern als Freund gefeiert wird. Sie bauen ihm sogar als Geschenk eine befestigte Zufahrtsstraße zu seinem Haus. Und zu seinem Geburtstagsfest kommen an die 160 Leute, was wiederum Fannys Managerinnen-Qualitäten ordentlich herausgefordert haben wird.

Die Tagebücher – ein „Rohdiamant“

Der Herausgeber bezeichnet Fannys Tagebücher als „Rohdiamant“, da sie nicht für eine Veröffentlichung überarbeitet wurden. Aber gerade darin liegt ihr Reiz. 

Manche Stellen wurden im Original einst geschwärzt (so die „Bauernseelen“-Aussage auf Seite 62), man konnte sie aber inzwischen mit speziellen fotografischen Techniken wieder sichtbar machen. Auch davon sind einige in diese Auswahl aufgenommen – die dann durchaus irritierend aus dem Duktus der Tagebücher herausfallen, weil sie plötzlich die weniger schönen Seiten von Fannys Leben aufflackern lassen.

Stevensons Briefe

Roberts Briefe hingegen zeigen manchmal einen fast schon bemühten Humor, mit dem er als schottischer Gentleman seiner zerrütteten Gesundheit Paroli bot. Immer musste er damit rechnen, dass Anstrengungen, die oft unvermeidlich waren, zu „Blutstürzen“ führten, und ihn kleine Erkältungen gleich wochenlang außer Gefecht setzten.

Über Roberts schriftstellerische Arbeit erfährt man erstaunlich wenig, nämlich kaum mehr als die Titel der Werke, an denen er gerade schreibt, so z. B. seines letzten Romans, „St. Yves“, den ich inzwischen zu lesen begonnen habe.

Ein überaus interessantes Buch, das Einblick in eine dem Europäer des 21. Jahrhunderts komplett fremde Welt gibt. 

Stevenson, Fanny und Robert Louis: Südseejahre. Eine ungewöhnliche Ehe in Tagebüchern und Briefen. Hg. u. a. d. Engl. übers. v. Lucien Deprijck. Mare-Verlag, Hamburg, 2011. 394 Seiten. Einige Schwarzweiß-Abbildungen.

Bild: Wolfgang Krisai: Strand bei Giens, Frankreich. Ölpastell. 2001. – Mit einem Bild aus der Südsee kann ich nicht aufwarten, aber zumindest mit diesem Sonnenuntergang am Mittelmeer.

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Jane Austen: Stolz und Vorurteil

Wolfgang Krisai: Skizze nach Jean-Jacques Henner: Portrait de femme, 1874, Musée Henner, Paris.Das Jahr 2017 mit dem 200. Todestag Jane Austens (1775-1817) am 18. Juli war eine gute Gelegenheit, mein Unwissen hinsichtlich dieser Autorin zu beenden und eines ihrer Werke zu lesen. Ich wollte ergründen, weshalb die Romane einer längst verstorbenen Autorin heute in jeder Buchhandlung zu kaufen, in zahlreichen Verfilmungen zu sehen sind und tatsächlich gelesen werden. Die Lektüre nur eines Romans würde dafür nicht ausreichen, das war mir klar. Aber ein erster Eindruck entstand jedenfalls.

Ein Roman mit seltsamen Seiten

Dieser erste Eindruck: Ganz verstehe ich die Austen-Begeisterung nicht. Hat doch dieser Roman seine durchaus seltsamen Seiten.

Ähnlich wie in Charlotte Brontës „Jane Eyre“ liest man hier eine unglaublich altkluge Sprache, in der junge Frauen von damals, zumindest im Roman, denken und sprechen. Die Heldin des Romans, Elizabeth Bennet, ist eine scharfe Denkerin und spitze Formuliererin, die sich nichts gefallen lässt. Wahrscheinlich sind dies Eigenschaften, die die Figur auch heute noch attraktiv machen, da nimmt man die unnatürliche Denk- und Sprechweise als zeitbedingtes Stilmittel in Kauf.

Im Nachwort wird der Roman als einer der schönsten Liebesromane und überhaupt als einer der meistgelesenen Romane der Weltliteratur (S. 619) bezeichnet.

Fünf Töchter sind unter die Haube zu bringen

Die Welt, die hier vor der Leserin und dem Leser ausgebreitet wird, befremdet einigermaßen. Töchter zu haben und ihnen keine große Mitgift mitgeben zu können, war im England des späten 18. Jahrhunderts eine mittlere Katastrophe. Und die Familie Bennet hat gleich fünf davon. Während ihr bescheidener Landbesitz, ein Haus in einem Dörfchen in Hertfordshire, nach dem Tod des Vaters aufgrund erbrechtlicher Kalamitäten an einen Cousin fallen würde (einen jungen Geistlichen, den man im Lauf des Romans als unerträglich bigotten Dauerprediger kennenlernt), müssen die fünf Töchter Jane, Elizabeth, Lydia, Kitty und Maria irgendwie unter die Haube gebracht werden. Das jedenfalls ist das einzige und oberste Ziel der Mutter, die es allerdings unwissentlich selbst sabotiert, indem sie sich als strohdumme Plaudertasche erweist, die kein Fettnäpfchen auslässt.

Zunächst glaubt man, die sich anbahnende Liebesgeschichte der ältesten Tochter Jane mit einem neu in die Gegend gezogenen Gutsherrn namens Mr. Bingley sei Gegenstand des Romans. Bingley ist eine sanfte Natur und fühlt sich schnell zur nicht weniger sanften Jane hingezogen, während sein Freund Mr. Darcy vor allem von Elizabeth als eingebildeter, stolzer Schnösel wahrgenommen wird.

Enttäuschung, Beistand und ein Korb

Auf Bällen und bei gegenseitigen Einladungen kommt man einander näher. Schon sieht die Mutter ihre Tochter unter der Haube, als Bingley plötzlich abreist und nicht wiederkehrt. Das Gerücht geht um, er heirate in London die Schwester Darcys.

Elizabeth muss ihrer unglücklichen Schwester beistehen. Schließlich fährt diese ihrerseits zu ihrem Onkel und ihrer Tante Gardiner nach London. Diese wollen Jane auf andere Gedanken bringen.

Eine unheimliche Episode ist die Werbung des geistlichen Cousins um Elizabeths Hand. Diese gibt ihm aber einen Korb, und er findet sich schnell mit Charlotte, einem anderen Mädchen aus dem Dorf, ab, einer Freundin Elizabeths.

Ein Heiratsantrag und noch ein Korb

Bald nach deren Hochzeit folgt Elizabeth deren Einladung und verbringt einige Wochen (damals dauerten Besuche immer lange) bei ihnen. Gutsherrin der Pfarrstelle des Cousins ist Lady Catherine de Bourgh, eine bis ins Groteske selbstherrliche Person, die jedem unverblümt ihre Meinung sagt. Ihr Verwandter ist Mr. Darcy! Er findet sich in Gesellschaft eines weiteren Freundes bei Lady Catherine ein, sodass es, als das Pfarrer-Ehepaar und dessen Freundin aufs Schloss eingeladen werden, zu neuerlichen Begegnungen von Darcy und Elizabeth kommt. Diese gipfeln in einem Heiratsantrag Darcys – den Elizabeth ablehnt, da sie glaubt, Darcy stecke hinter der Intrige, die Jane und Bingley auseinandergebracht habe. Elizabeth hat außerdem von Mr. Wickham, einem Offizier, viel Negatives über Darcy gehört, der Wickham ein Erbe, das ihm Darcys Vater vermacht habe, vorenthalten habe.

Vorurteil und Stolz

Als Elizabeth Darcy all das sagt, sieht er sich gezwungen, sich zu rechtfertigen, und tut dies in einem langen Brief, den er ihr zusteckt. Dieser Brief öffnet Elizabeth die Augen. Ihre negative Einstellung gegenüber Darcy war von Anfang an ein Vorurteil. Sein Stolz eine Einbildung Elizabeths.

Nun bereut sie es, ihn abgewiesen zu haben, es gibt jedoch keinen Weg mehr, dies ungeschehen zu machen.

Bei einer mit Gardiners unternommenen Reise besuchen die drei das Landgut Darcys (man konnte also auch damals schon dergleichen Schlösser als Sehenswürdigkeiten besichtigen) und trifft dort überraschend den abwesend geglaubten Gutsherrn. Darcy benimmt sich überaus zuvorkommend, statt sich wie zu erwarten in den Schmollwinkel zurückzuziehen.

Der selbstlose Retter

Darcys großes Herz und seine enorme Großzügigkeit erweist sich erst recht, als er Elizabeths Schwester Lydia, die mit Wickham durchgebrannt ist, vor der gesellschaftlichen Ächtung rettet, indem er Wickhams Schulden zahlt, eine sofortige Eheschließung ermöglicht, ja Wickham regelrecht dazu zwingt, und dessen Versetzung in ein im Norden stationiertes Regiment einfädelt, damit dem Paar sozusagen ein Neuanfang möglich wird.

Darcy hält das alles geheim, nur Tante Gardiner erfährt davon und teilt es Elizabeth unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit.

Happy End

Allmählich schreitet der Roman seinem Ende zu, und da werden alle Verwicklungen zu einem guten Ende gebracht:

Bingley zieht wieder aufs Land und heiratet Jane.

Darcy kommt mit – und erneuert seinen Heiratsantrag. Diesmal sagt Elizabeth aus vollem Herzen ja.

Happy End.

Schöne Ausgaben

Wer sich heute ein Werk Jane Austens kaufen will, steht vor der Qual der Wahl. Die schönen, gediegen gemachten Mannesse-Bändchen sind, wenn es schon keine englischsprachige Ausgabe sein soll, meine Wahl. Würde ich mir Taschenbücher kaufen, so fiele meine Entscheidung klar zugunsten der von Kat Menschik gestalteten Insel-Taschenbücher aus, die der Verlag sogar mit einer besonderen Bildergalerie auf seiner Homepage ausgezeichnet hat.

Jane Austen: Stolz und Vorurteil. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Ott. Nachwort von Elfi Bettinger. Manesse Bibliothek der Weltliteratur. Manesse-Verlag, Zürich, 2003. 635 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Skizze nach Jean-Jacques Henner: Portrait de femme, 1874, Musée Henner, Paris.

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Charlotte Brontë: Jane Eyre

Wolfgang Krisai: Schlafendes Mädchen. 1978. Kreide auf braunem Papier.Jetzt las ich Charlotte Brontës Roman „Jane Eyre“, der mich sehr gepackt hat, nach leichten Eingewöhnungs-Schwierigkeiten. Anfangs hat mich nämlich irritiert, dass die Autorin ihre 10jährige Heldin im Stil von Sonntagspredigten ihre Alltagsgespräche führen lässt. Nimmt man das jedoch einmal als zeitbedingtes Stilmittel hin, dann wird es durchaus interessant.

Menschenverachtendes Internat

Die kleine Jane wird von ihrer Zieh-Mutter gehasst und in ein menschenverachtendes Internat gesteckt, wo sie nur zufällig oder wegen ihrer robusten Natur dem buchstäblichen Tod entgeht, dem viele der Schülerinnen wegen Unterernährung und mangelnder Widerstandskraft erliegen.

Verliebt in den Dienstherren

Danach verdingt sie sich als Gouvernante bei einem Herrn von Rochester, dessen uneheliche, aber bei ihm lebende sechsjährige Tochter sie betreuen muss. Es entsteht eine machtvolle Liebe zwischen Jane und Rochester, sie können aber nicht heiraten, weil Rochester schon verheiratet ist – mit einer verrückt gewordenen Frau, die er in einem Kammerl seines Herrenhauses weggesperrt hat.

Moralische Druckmittel

Als Rochester hofft, Jane trotzdem zu seiner Geliebten machen zu können, ergreift diese die Flucht und gerät zufällig an Verwandte, mit denen sie sich zwar sehr gut versteht, wo ihr Cousin sie aber mit moralischen und religiösen Druckmitteln zwingen will, ihn zu heiraten und mit ihm als Missionarsgattin nach Indien zu gehen.

Wieder flieht Jane, zurück zu Rochester, über dessen Schicksal sie Klarheit haben will. Der ist inzwischen nicht mehr verheiratet, weil seine irre Frau das Haus in Brand gesteckt hat und dabei selbst umgekommen ist. Rochester hat beim vergeblichen Versuch, sie aus dem brennenden Haus zu retten, sein Augenlicht und eine Hand eingebüßt. Doch das hält Jane nicht ab, nun bei ihm zu bleiben. Happy End. Glückliche Ehe.

Was ist nun das Faszinierende an diesem Roman?

Die Handlung allein kann es ja nicht sein, dazu ist sie zu skurril – obwohl sie zum Teil auf autobiographischem Fundament stehen soll. Um das genauer zu prüfen, müsste ich ein besserer Brontë-Kenner sein.

Der romantische Stil kann es auch nicht sein, der ist ja eher abschreckend.

Janes Selbstbehauptungswille

Faszinierend ist aber die Persönlichkeit Janes, die förmlich platzt vor Selbstbehauptungswillen. Von ihrer hasserfüllten Ziehmutter lässt sie sich eines Tages nichts mehr gefallen und sagt ihr ins Gesicht, dass sie sie hasst. Das ist der Grund, warum sie in das Internat gesteckt wird, wo sie sich schnell nach oben arbeitet, trotz der Verleumdung von Mr. Brocklehurst, der der Ziehmutter versprochen hat, das Mädchen vor allen anderen zu demütigen. Und das auch wirklich tut.

Angesichts der an den Tag gekommenen Vorkommnisse in geistlich wie weltlich geführten Internaten in den letzten Jahrzehnten wird wohl die Schilderung des unmenschlichen Internatslebens in Mr. Brocklehursts Institut „Lowood“ gar nicht weit von der Realität entfernt sein.

Liebe wider Willen

Dann kommt die schwierige Liebesgeschichte mit Mr. Rochester, deren Entwicklung die Leserin bzw. der Leser mit Spannung folgt. Interessant daran finde ich, dass Jane sozusagen gegen ihren Willen ihrem Dienstherren verfällt. Sie sträubt sich mit allen Mitteln dagegen, und Rochester ist auch keineswegs ein zuvorkommender Mann, sondern benimmt sich seinerseits lange Zeit abstoßend. Als Jane ihm jedoch unerschrocken das Leben rettet, schlägt es bei ihm ein. Fast macht er ihr eine Liebeserklärung.

Rochester trägt die Last seiner bestehenden Ehe mit der geistesgestörten Südamerikanerin. Von der Existenz dieser Frau im Herrenhaus ahnt man nichts, sondern man verdächtigt wie Jane die Irrenwärterin, die Rochester angestellt hat, sie habe einen Mordanschlag auf Rochester vollführt.

Die Autorin erzeugt Spannung und nützt diese Episoden zu satirischer Darstellung, indem sie Rochester allerlei Spielchen treiben lässt: Er macht einer eleganten Dame den Hof, um Jane auf die Folter zu spannen; er verkleidet sich als Wahrsagerin, um in Janes Seele zu lesen; und er glänzt immer wieder durch unangekündigte Abwesenheit.

Kritik an Scheinheiligkeit

Ein wichtiger Aspekt des Romans ist die implizite Kritik an Scheinheiligkeit und Bigotterie. Besonders das Internatskapitel und die Diskussionen mit dem angehenden Missionar zeigen das. Im 19. Jahrhundert muss das skandalös geklungen haben.

Emanzipationsroman

Der Roman wird außerdem als ein frühes Manifest der Frauenemanzipation verstanden: Jane liebt Rochester zwar, ist aber nicht bereit, dafür ihre persönliche Integrität zu opfern. Deshalb will sie nicht seine Geliebte werden, sondern flieht. Da ihr Herz einem anderen gehört, will sie auch nicht die Gattin ihres Missionars-Cousins werden. Auch hier wieder besteht sie auf ihrer persönlichen Würde.

Zu Ehe kommt es erst, als sie ihrem Ehemann zumindest ebenbürtig, wenn nicht überlegen ist, da Rochester schließlich behindert ist. Doch – und das ist bezeichnend – für Jane ist Rochesters Behinderung eine Äußerlichkeit, die ihr ermöglicht, für ihn da zu sein, wo er es braucht. Ihrer Liebe und ihrem Respekt vor dem Ehemann tut das keinen Abbruch. Es braucht die Behinderung Rochesters, um ihn vom hohen Ross, auf dem ein Mann des 19. Jahrhunderts automatisch saß, herunterzustoßen, damit er mit Jane eine auf Gleichberechtigung fußende Ehe eingehen kann.

Charlotte Brontë: Jane Eyre. Roman. Aus dem Englischen von Andrea Ott. Nachwort von Elfi Bettinger. Manesse Bibliothek der Weltliteratur. Manesse Verlag, Zürich, 2001. 777 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Schlafendes Mädchen. 1978. Kreide auf braunem Papier.

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Martin Walker: Germany 2064

Wolfgang Krisai: Martin Walker und Schauspielerin bei seiner Lesung in der Buchhandlung Frick, Wien, am 13. 10. 2011. Bleistift und Tuschestift-Skizze.Martin Walker ist nicht nur Autor der im französischen Périgord spielenden Krimiserie um „Bruno, Chef de police“, sondern Journalist und Mitglied des Think Tanks „Global Business Policy Council“. In seinem Zukunftsthriller „Germany 2064“ verbindet er diese Berufsfelder, wie er im Nachwort berichtet. Sein Think Tank sollte eine Studie ausarbeiten, wie Deutschland im Jahre 2064, also in 50 Jahren, aussehen werde. „Meine Kollegen hatte die schöne Idee, dass meine Fähigkeiten als Schriftsteller helfen könnten, manche der von uns erörterten Zukunftsthemen in einem Roman besser vorstellbar zu machen, als es die übliche Expertenkommunikation ermöglicht.“ (Nachwort, S. 428f).

Dem Ergebnis merkt man diese Entstehungsgeschichte durchaus an, was vielleicht vom Standpunkt des Thriller-Lesers nicht immer erfreulich ist, an Zukunftsszenarien interessierte Leser, insbesondere jene, die wissen wollen, inwieweit Roboter darin eine Rolle spielen werden, aber mit viel Stoff zum Nachdenken versorgt.

Robotik und künstliche Intelligenz

Man könnte nämlich sagen, der Roman handelt von der Zukunft der Robotik und der künstlichen Intelligenz, und die „Hauptfigur“ ist der AP (= Automatisierte Partner) Roberto des Polizisten Bernd Aguilar. Dieser Roberto ist ein Roboter, sein Name also ein Anagramm, und er wurde kürzlich bei einem Einsatz zusammengeschossen, als er sich schützend vor seinen „Herrn“ warf und ihm damit das Leben rettete. Zu Beginn des Romans kommt Roberto nun nach Reparatur und bei dieser Gelegenheit vorgenommenem Upgrade aus der Herstellerfirma „Wendt“ zurück zu Bernd, der gleich merkt, dass Roberto nun noch viel mehr kann als zuvor. Nicht nur ist er ein blitzschneller Recherchierer, sondern er denkt und handelt auch schon sehr menschlich, zumindest was detektivische Schlüsse und polizeiliche Maßnahmen betrifft. Damit es nicht gar zu unheimlich wird, hat Walker ihm aber Schwächen wie die Unfähigkeit, elegant in ein ihm noch unbekanntes Auto einzusteigen, mitgegeben. Warum sollten Roboter keine kleinen Schwächen haben, macht sie das nicht erst recht menschlich?

Selbstfahrende Vehikel

Apropos Autos: 2064 fahren natürlich auch keine Autos in unserem Sinn durch die Gegend, sondern praktisch nur noch selbstfahrende Vehikel aller Art, sei es für den Personen-, sei es für den Lastentransport.

Ein Konvoi aus hundert selbstfahrenden Containern wird im allerersten Kapitel Ziel eines Raubüberfalls: In einem der Container befinden sich überaus teure Neobiotika (also Medikamente, die gegen alle Antibiotika resistente Bakterien dennoch umbringen), und diese werden in einer filmreifen Actionszene von perfekt ausgerüsteten und trainierten Dieben aus dem fahrenden Konvoi gestohlen. Dieses Kapitel eröffnet den Roman mit großem erzählerischem Schwung, aber erst auf Seite 278 kommt die Handlung wieder auf dieses Verbrechen zurück. Inzwischen hat sich der erzählerische Impetus in der weit verzweigten Handlung, die ich hier aus Platzgründen und um nicht zuviel zu verraten nicht nachzeichne, etwas verloren.

Referate über die Zukunft

Warum? Das liegt wohl an der Herkunft des Szenarios aus oben erwähnter Studie. Das hautnah erzählte unmittelbare Geschehen, das mit vielen direkten Reden gespickt ist, driftet immer wieder in referierende Passagen von mehreren Seiten Länge ab, die, so scheint es, all das, was sich aus Gründen der Länge nicht durch Handlung vorstellen lässt, trotzdem in den Roman packen sollen. In groben Zügen wird man über die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und historische Situation im Jahr 2064 ins Bild gesetzt.

Schule 2064

Sogar das Schulwesen bekommt einige Seiten zugestanden, auf denen Walker einer romantischen Reformschule das Wort redet, wo die Schüler ihre Zeit mit Musikmachen, Theaterspielen, Kochen und Feste-Feiern verbringen, in Werkstätten Radioempfänger basteln, im Schulgarten Kräuter ernten und im angegliederten Stall Schweine füttern. Ja, Computer programmieren gehört auch dazu. Genauso wie Wandern und Zelten auf mehrtägigen Klassenfahrten. Das alles unter reger Elternbeteiligung und gecoacht von „vorzüglich ausgebildeten“ und „angemessen bezahlten“ Lehrern (S. 307ff).

Zwei Welten

Auffällig ist, dass die Zeit zwischen 2014 und 2064 nur durch ein paar markante Ereignisse wie die Revolution von 2048 gefüllt wird. 2048 ist natürlich kein zufälliges Datum, sondern ein Jubiläumsjahr, hat es doch schon 1848 Revolutionen gegeben. Die Revolution von 2048 hat zur Zweiteilung Deutschlands in übertechnisierte Wohlstandszonen und „Freie Gebiete“ geführt, wo die Menschen bewusst alle nach 1980 erfundenen technischen Neuerungen ablehnen und im Stil von Landkommunen dem Biobauerntum und einem naturnahen Lebensstil frönen. Das sieht auf den ersten Blick nach der typischen dystopischen Situation aus: Wohlstandsinseln unterm Glassturz, umzingelt von revolutionär gärenden Armutsgebieten. Doch so einfach machte es sich Walker nicht, denn er stellt beide Lebensstile positiv dar, wenn auch nach konträren Idealen ausgerichtet.

Der Großindustrielle und Roboterhersteller Wendt, ein über hundert Jahre alter Magnat, gerät zwischen die beiden Welten, da seine Urenkel, denen er demnächst seine Firmen vererben will, in die „Freien Gebiete“ abgewandert sind und dort lieber Dokumentarfilme drehen oder Songs zur Gitarre komponieren.

Mit Musik hat der Plot des Romans zu tun, denn es geht zunächst darum, eine in der Pause eines ihrer Konzerte spurlos verschwundene Sängerin aus den „Freien Gebieten“ wiederzufinden. Polizist Bernd und sein AP Roberto werden auf den Fall angesetzt, entdecken aber schnell, dass sich dahinter ein weitläufiges System krimineller Machenschaften auftut, zu dem eben zum Beispiel auch der Überfall auf den Containerkonvoi vom Romanbeginn zählt.

Stil

Dem Leser werden ziemliche Gedächtnisleistungen abverlangt, wenn er über die zahlreichen wichtigeren Romanfiguren, die abwechselnd in den an unterschiedlichen Schauplätzen angesiedelten Kapiteln auftreten, nicht den Überblick verlieren will. Stilistisch hingegen läuft alles angenehm glatt und elegant, wie es einem Szenario entspricht, in dem die Polizei ihre Gegner nicht mehr durch tödliche Schüsse, sondern mittels blitzartig aushärtenden Immobilisierungs-Schaums handlungsunfähig macht.

Martin Walker: Germany 2064. Ein Zukunftsthriller. Zürich, Diogenes, 2015. 430 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Martin Walker und Schauspielerin bei seiner Lesung in der Buchhandlung Frick, Wien, am 13. 10. 2011. Bleistift und Tuschestift-Skizze.

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James Joyce: Ulysses

Wolfgang Krisai: "The Coast", Irland 1981. Aquarellierte Federzeichnung.Gipfelsieg! „Der Ulysses“ von James Joyce liegt hinter mir, immerhin schlappe 1015 Seiten in meiner Edition-Suhrkamp-Ausgabe. Ich bin ja gerade dabei, der lektüremäßigen Aufschieberitis den Kampf anzusagen, und der „Ulysses“ war so ein Riesenprojekt, das ich seit Jahren vor mir herschob.

Üblicherweise gebe ich einem Buch 10 Prozent seiner Seitenzahl, und wenn es mich dann immer noch nicht packt, dann darf ich es auch sein lassen. Für das Ulysses-Projekt hätte ich diese Regel allerdings nicht anwenden dürfen, denn da brauchte es die Hälfte des Buchs, bis ich ihm endlich etwas abgewinnen konnte. Erst dann begann sich Leopold Bloom, die Hauptfigur des Romans, auf den ich zunächst verächtlich herabschauen zu können glaubte, für mich als ein Mensch der Gegenwart zu entpuppen, wie er auch heute noch, 110 Jahre nach dem Handlungstag des Romans, existiert – und im Grunde einem wie mir selbst gar nicht so unähnlich ist…

„Introibo ad altare Dei“

Gleich der erste Satz, der im Roman gesprochen wird, schlägt eines der Hauptthemen an. Buck Mulligan, eine der eher wichtigen Nebenfiguren, kommt zur Morgenrasur auf die Dachterrasse und intoniert ironisch: „Introibo ad altare Dei.“ Als Ministrant habe ich den Satz vom Priester sicher hundertmal gehört: „Zum Altare Gottes will ich treten.“  Gleich wird deutlich: Hier macht sich einer über die katholische Kirche lustig. Nach 1000 Seiten weiß man: Es ist nicht nur die Figur des Buck Mulligan, sondern es ist der Autor James Joyce selbst, der von der Kirche nichts hält. Ich bin zwar kein Fan kirchenkritischer Zynismen, die meist aus einer Unkenntnis des Entwicklungsstandes der gegenwärtigen Theologie resultieren, hier aber muss ich doch Verständnis haben: Ein halbwegs selbständig denkender Mensch wird anno 1904, wo der Roman spielt, oder 1914-21, wo er verfasst wurde, die Atmosphäre im erzkatholischen Irland kaum ertragen haben. Was lag näher, als sich a) zu besaufen und b) in antiklerikale Zynismen zu flüchten. Joyce tat beides ausgiebig.

Literarische Innovationen

Doch nicht für seine kirchenkritische Haltung ist der „Ulysses“ berühmt, sondern für seine literarischen Innovationen.

Angesichts der Leistungen der großen Erzähler des 19. Jahrhunderts noch etwas Eigenständiges und Hervorragendes schaffen zu wollen, war ja fast vermessen. Joyce hat es dennoch versucht, und eine Sammlung der Ergebnisse haben wir auf diesen 1000 Seiten vor uns. Berühmt und wohl allgemein bekannt ist das letzte, 18., Kapitel: der 70 Seiten lange innere Monolog von Molly Bloom, der Gattin Leopold Blooms. 70 Seiten ohne Punkt und Komma – wie kann man das lesen? Problemlos, muss ich sagen, denn Mollys Gedankenstrom mag zwar ziemlich herummäandern, aber halbwegs in vollständigen Sätzen zu denken ist sie immer noch in der Lage, obwohl es drei Uhr in der Früh ist und sie eigentlich schlafen sollte. Aber eben nicht kann, weil Leopold nach einer nächtlichen Sauftour endlich zu ihr ins eheliche Bett gekrochen ist, übrigens andersrum orientiert: neben ihrem Kopf seine Füße. Eine Praxis, die a) einiges über die Innigkeit der Ehe der Blooms sagt, aber b) bei einem relativ schmalen Bett und relativ beleibten Schläfern gar nicht so dumm ist und c) aus des Autors eigener Schlafpraxis stammt!

Da könnte man doch glatt meinen, Joyce habe sich in Bloom selbst portraitiert. Um das beurteilen zu können, bin ich nicht Kenner genug, aber eins ist klar: Im Ulysses gibt es ja noch eine zweite „Hauptperson“, den jungen Lehrer Stephen Dedalus, Sohn von Leopolds Freund Simon Dedalus. Und Stephen wird wohl genauso viel mit Joyce zu tun haben wie Bloom.

Das Problem mit dem Erzählen

Zurück zu den literarischen Experimenten: Das Problem in der Literatur um 1900 war die Rolle des Erzählers und der Sprache überhaupt. Hofmannsthal behauptete, die Worte zerfielen ihm im Mund „wie modrige Pilze“. Man hatte das Vertrauen auf die schiere Möglichkeit des simplen Erzählens verloren. Was macht einer, wenn er erzählt? Macht er den Zuhörern bzw. Lesern nicht einfach einen sprachlichen Hokuspokus vor, entwirft ein Lügengespinst, das mit der angeblich erzählten „Wirklichkeit“ nichts zu tun hat? Ok, mag sich jemand wie Joyce gesagt haben: Dann weg mit dem Erzähler! Wir sammeln nur noch Fakten! Wir notieren, was auf uns einstürzt, aber wir überlassen es dem Leser, draus etwas zu basteln. Literarisches Brainstorming, sozusagen. Der Roman als Stichwortliste der Wirklichkeit. Über weite Strecken wirkt der „Ulysses“ tatsächlich wie eine Notizensammlung eines Menschen, der durch Dublin flaniert und schlicht alles festhält, was er sieht, hört, riecht und sonstwie wahrnimmt. Der Autor schaut dabei gewissermaßen seinem jeweiligen Protagonisten, sei es Stephen oder Leopold, über die Schulter oder ins Gehirn und notiert, was dieser eine Mensch gerade wahrnehmen könnte. Fragmentarisch, denn alles vollständig notieren, dazu bräuchte es zehntausend Seiten, nicht bloße tausend. Daher werden häufig wirklich nur Stichwörter oder Satzfragmente geboten.

Wenn man sich gegen übermächtige Vorbilder absetzen will, kann man das aber nicht nur durch ganz was Neues, sondern auch durch eine Parodie machen. Daher gibt es auch Kapitel, wo Joyce den Erzählton des 19. Jahrhunderts verulkt, indem er ihn ins Sentimental-Pathetische übertreibt.

Weitere Möglichkeit der Innovation: Man erzählt nicht, sondern wechselt in eine ganz andere Gattung, in diesem Fall ins Theater: Das 15. Kapitel ist wie ein Theaterstück geschrieben, mit seinen 150 Seiten ein abendfüllendes noch dazu. Wer aber glaubt, dieses Kapitel ließe sich so leicht auf die Bühne bringen, irrt gewaltig. Es spielt, muss man wissen, in Dublins nächtlicher Halbwelt, wo sowohl Bloom wie auch Stephen, vom Alkohol enthemmt, ihr Glück suchen, aber nicht finden. Joyce macht daraus eine wahre Walpurgisnacht, ein surrealistisches Stück, das bestenfalls mit den Mitteln moderner Filmtechnik zur „Aufführung“ gelangen könnte. Das zu lesen macht aber Spaß.

Da Bloom mit der Zeitung zu tun hat – er ist ein Annoncen-Aquisiteur – liegt es natürlich nahe, auch journalistische Schreibweisen einzubeziehen. Ein Kapitel besteht aus „Zeitungsartikeln“, sprich: Schlagzeilen mit darauf folgendem Artikeltext, nur dass diese Artikel dann eben doch wieder keine Zeitungsberichte sind. Ja, und am Ende, im 17. Kapitel, besinnt Joyce sich gar der Gestaltungsweise des Katechismus: Frage und Antwort, genau 100 Seiten lang, und mit deutlicher Tendenz, das Unwichtige (etwa, wie der Bart eines Schlüssels sich im Schloss dreht) mit der gleichen Akribie zu beschreiben wie das Wichtigere. Möge doch der Leser die unterschiedliche Wichtigkeit erkennen!

Bloomsday

So viel zum formalen Aspekt des Romans. Hat er auch einen Inhalt?

Nicht mehr der Autor ist der „Macher“ des Kunstwerks, sondern der Leser. Dieser muss aus all den Daten, die ihm dieser denkwürdige 16. Juni 1904, an dem der Roman spielt, liefert, „etwas machen“. Was dabei herauskommt, wird wohl äußerst unterschiedlich sein.

Genau genommen umfasst der Roman die Zeit vom 16. Juni 1904 morgens bis zum nächsten Tag in den frühen Morgenstunden, als es schon hell zu werden beginnt. Das ist der berühmte „Bloomsday“, wie er heute von Joyce-Fans jährlich gefeiert wird.

Wen interessiert das?

Ich habe mich über weite Strecken über die Zumutung, der ich hier als Leser ausgesetzt werde, geärgert. Weil ich schlicht nichts Interessantes entdeckt habe. Es geht eigentlich vor allem um zwei Handlungsweisen: entweder geht der Protagonist durch Dublin oder er sitzt im Wirtshaus und palavert über Unbedeutendes und trinkt bedeutende Mengen. Ausnahmen sind zum Beispiel ein Begräbnis-Kapitel, wo man nicht geht, sondern in der Kutsche im Trauerkondukt mitführt und palavert und anschließend am eigentlichen Begräbnis teilnimmt, oder der erwähnte Monolog der Molly Bloom, der sich im Bett „abspielt“. Was interessiert mich, wer wen auf Dublins Straßen im Jahre 1904 sieht oder übersieht, grüßt oder nicht grüßt? Hier wird viele Seiten lang Alltag pur aufgetischt.

Geld und Sex

Was beschäftigt einen vierzigjährigen Anzeigenkeiler denn so im Alltag? Der 16. Juni 1904 ist ja kein besonderer Tag, sondern ein ganz normaler Wochentag. Bloom beschäftigen zwei Dinge: Geld und Sex.

Ständig überlegt er, wieviel irgendetwas kostet, wieviel er noch in der Tasche hat, wieviel er womit verdienen könnte, usw. Auch mit Molly, die eine begabte Sängerin ist, möchte er Geld machen, weshalb er eine Konzerttournee organisiert hat. Geld ist also das eine.

Das andere ist das Liebesleben, mit dem es nicht so glatt gehen will. Molly betrügt ihn, scheint’s. Das macht Bloom aber gar nicht so viel, denn es gibt ihm den Freibrief, seinerseits ein Verhältnis anzufangen, das gerade bis zum Stadium geheimen Briefwechsels gediehen ist. Unter falschem Namen holt Bloom zum Beispiel einen Brief seiner Geliebten vom Postamt ab. Und den ganzen Tag geistern dieser Brief bzw. Blooms Reaktionen darauf im Roman herum. Als er – in der Mitte des Romans – grübelnd am Strand sitzt und dort ein Mädchen mit ihm flirtet, übermannt es ihn und er masturbiert  heimlich, was aber keine wirkliche Befriedigung, sondern vor allem eine nasse Unterhose nach sich zieht. Dass er außerdem nachts im Rotlichtviertel ins Bordell geht, vervollständigt das Bild sexuellen Jammers, das Bloom abgibt. Ein Mann in der Midlife-Crisis, im Grunde ein Mensch, der von mehr träumt, als er hat, und dadurch nicht gerade glücklicher wird. Die Misere wird, wie sich’s in Dublin gehört, in Bier ersäuft.

Freunde und Philosophie

Stephen wiederum ist der prototypische junge Mann, der sich vor allem mit Freunden und mit Philosophie beschäftigt. Mit beiden ist’s nicht weit her. Freundschaften unter jungen Männern können leicht durch ein Konkurrenzdenken getrübt werden, und so ist es auch hier. Stephens Mitbewohner Buck Mulligan und Haines – zu dritt leben sie in einer Art WG in einem alten Leuchtturm am Strand – gehen ihre eigenen Wege, die den Stephens höchstens beiläufig kreuzen.

In der Nacht werden die beiden Hauptfiguren dann kurzzeitig vereint, weil Bloom den stockbetrunkenen Stephen vom Bordellviertel zuerst in ein Temperenzler-Lokal, wo sie Milch und Kaffee trinken, und schließlich sogar zu sich nach Hause bringt, mit dem Angebot, ihn bei sich auf der Couch übernachten zu lassen. Da das Couchsurfen noch nicht erfunden war, lehnt Stephen dieses Ansinnen allerdings ab und entschwindet torkelnd in die Morgendämmerung, und Bloom legt sich schweren Herzens verkehrt herum zu Molly ins Bett.

Die Homer-Connection

Ich habe kürzlich Homers „Odyssee“ gelesen, unter anderem auch mit dem Hintergedanken, damit das Rüstzeug für den „Ulysses“ zu haben. Joyce soll seinen Roman nach der Odyssee gestaltet haben. Wer aber glaubt, die Odyssee werde viel zur Erhellung des „Ulysses“ beitragen, sieht sich getäuscht. Joyce selbst scheint schon erkannt zu haben, dass es mit den Beziehungen zur Odyssee eine vertrackte Sache ist. Im Manuskript sollen die Kapitel noch mit Überschriften à la „Telemach“, „Calypso“ oder „Ithaka“ versehen sein, doch in der Buchausgabe ließ Joyce diese verschwinden. Mit Recht, wie mir scheint. Ich habe zwar brav die Einleitungen meiner kommentierten „Ulysses“-Ausgabe gelesen, wo immer genau vermerkt ist, welches Kapitel der Odyssee nun dran ist und was darin passiert, aber nicht einmal dieser Kommentar konnte zwischen der Odyssee und dem „Ulysses“ mehr als nur oberflächliche Beziehungen herstellen. Ich habe das Gefühl, Joyce habe mit dem ganzen Odyssee-Klimbim der literarischen Welt einen Streich gespielt: Die wollen doch immer irgendwelche literaturhistorischen Geheimnisse lüften! Geben wir ihnen eine Nuss zum Knacken, an der sie sich die Zähne ausbeißen werden!

Man kann jedenfalls den „Ulysses“ getrost ohne Homerkenntnisse lesen und wird keine nennenswerten Einbußen erleben. Vielleicht sogar das Gegenteil.

Auch der umfangreiche Kommentar der kommentierten Ausgabe erwies sich für mich keineswegs als hilfreich, denn das, was man weiß, wird oft erklärt, und was man wissen will, bleibt meist unkommentiert. Ich habe also bald die Lektüre in der armmuskelschonenderen Edition-Suhrkamp-Ausgabe fortgesetzt, und das hat ausgereicht. Übrigens hat mir auch der Wikipedia-Artikel über den „Ulysses“ einige Verstädnishilfen geboten.

James Joyce: Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. edition suhrkamp Neue Folge 100, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 1981. 1015 Seiten.

James Joyce: Ulysses. Übersetzt von Hans Wollschläger. Hg. u. kommentiert v. Dirk Vanderbeke u. a., Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, 2004. 1122 Seiten.

P.S.:

Gerade habe ich in einen Bildband über Stefan Zweig hineingeblättert und dort Stefans Zweigs Rezension des Ulysses von 1928 entdeckt. Erstaunlich, wie treffend Zweig, der nun wahrlich nicht gerade ein Vertreter erzählkritischen Literatentums ist, die Leistung von Joyce darstellt:

„Gattung: ein Roman? Nein, durchaus nicht: ein Hexensabbat des Geistes, ein gigantisches Capriccio, eine phänomenale zerebrale Walpurgisnacht. Ein Film psychischer Situationen, sausend und flirrend im Expreßtempo, dabei ungeheure Seelenlandschaft voll genialer und genialistischer Details taumelig vorüberreißend, ein Doppeldenken, ein Tripledenken, ein Übereinander-, Durcheinander- und Quernebeneinanderfühlen aller Gefühle, eine Orgie der Psychologie, mit einer neutechnischen Zeitlupe begabt, die jede Bewegung und Regung in ihre Atome auflöst. Eine Tarantella des Unbewußten, rasende und rauschende Ideenflucht, die quirlend wahllos mit sich schwemmt, was ihr gerade in den Weg kommt, Subtilstes und Banalstes, Phantastisches und Freudisches, Theologie und Pornographie, Lyrismen und Kutschergrobschlächtigkeiten – ein Chaos also, aber nicht dumpf geträumt […], sondern von einem schneidend geistigen, ironisch zynischen Intellektuellen kühn und absichtsvoll instrumentiert.“ (Stefan Zweig: „Anmerkung zu Joyce’s ‚Ulysses‘“, in: Stefan Zweig. Bilder. Texte. Dokumente. Hg. v. Klemens Renoldner u. a., Residenz Verlag, Salzburg und Wien, 1993, S. 88. Der Text kann hier online gelesen werden.)

Bild: „The Coast“

Ich war erst einmal in Irland, und da nur an der Westküste. Von dort stammt mein Bild: „The Coast“, Irland 1981. Aquarellierte Federzeichnung.

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Ken Follett: Die Säulen der Erde

Wolfgang Krisai: Das Münster von Konstanz. Aus meinem Skizzenbuch der Bodensee-Radtour 2009.

Wolfgang Krisai: Das Münster von Konstanz. Aus meinem Skizzenbuch der Bodensee-Radtour 2009.

Seit Anfang August las ich – mit einer zweiwöchigen Reiseunterbrechung – an diesem 1300-Seiten-Ziegel: „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett. Als Kunstlehrer sollte ich das Buch ja längst gelesen haben. Nun ist diese Bildungslücke also geschlossen.

Kathedralenbau in Kingsbridge

Der Roman erzählt eine ausgedehnte mehrsträngige Handlung rund um den Bau der ersten gotischen Kathedrale Englands im fiktiven Ort Kingsbridge irgendwo im Süden des Landes unweit von Winchester und Salisbury (der dortigen Kathedrale ist jene im Roman in manchen Teilen nachempfunden). Die Zeit der Handlung gibt der Autor aufs Jahr genau an: 1123 bis 1174.

Paukenschlag am Anfang

Am Anfang steht gleich einmal ein Paukenschlag, damit der Leser gepackt wird: ein Dieb wird aufgehängt. Das wäre noch nichts Besonderes, aber als der Mann schon fast am Strang baumelt, taucht eine junge Frau auf und verflucht lauthals jene drei Männer, die ihn an den Galgen gebracht haben: einen Mönch, einen Weltpriester und einen Ritter. So schnell, wie sie aufgetaucht ist, verschwindet die Frau auch wieder. Nun will man natürlich wissen, weshalb es zu diesem Geschehen kam – und muss fast 1300 Seiten darauf warten. Denn erst ganz am Ende kommt Follett wieder auf diese Hinrichtung zurück.

Die Handlung entwickelt sich

Dazwischen erstreckt sich der eigentliche Roman:

Zunächst die Geschichte des Steinmetzen und Baumeisters Tom Builder, der an einem Wohnhaus für William Hamleigh und seine Braut Aliena baut. Doch da Aliena William auf schmähliche Weise abblitzen lässt, entlässt dieser Tom, der daraufhin mit seiner schwangeren Frau Agnes und zwei Kindern – Alfred und Martha – vergeblich Arbeit suchend von Ort zu Ort zieht. Sein Traum: eine Kathedrale bauen. Aber nicht einmal einen kleine Hütte will ihn jemand bauen lassen.

In einem ausgedehnten, wilden Waldgebiet in der Nähe eines kleinen Klosters bringt die ausgemergelte Agnes einen Sohn zur Welt und stirbt gleich nach der Geburt. Da er keinen anderen Ausweg sieht, lässt Tom das Baby auf dem Grab der Frau zurück. Bald packen ihn aber Gewissensbisse und er eilt zurück, doch das Baby ist weg. Stattdessen begegnet ihm eine junge Frau, die mit ihrem Sohn Jack, einem sich seltsam benehmenden Buben (wir würden wohl sagen, er ist leicht autistisch), im Wald lebt. Sie holt Tom in ihre Höhle – und die beiden sind noch am selben Abend ein von Sinnlichkeit überwältigtes Liebespaar.

Toms Baby hingegen wurde von einem Priester entdeckt und in das nahe Kloster gebracht, wo es auf den Namen Jonathan getauft und als Klosterkind großgezogen wird. Der junge Prior des Klosters, Philip, nimmt Jonathan mit, als er zum Prior des Hauptklosters in Kingsbridge bestellt wird. Dies geht allerdings nur mit Hilfe eines ehrgeizigen Geistlichen am Bischofshof, Waleran Bigod, der dafür seinerseits Unterstützung von Philip fordert, falls es zu einer neuen Bischofswahl kommt. Zu spät merkt Philip, dass er übertölpelt wurde: Der Bischof ist nämlich schon tot, die Wahl des Nachfolgers steht unmittelbar bevor. Und Waleran wird Bischof.

Das ganze spielt sich vor dem Hintergrund politischer Wirren ab: zwei Anwärter auf den englischen Königsthron liefern sich einen jahrzehntelangen Krieg, und die unsicheren Herrschaftsverhältnisse machen sich sowohl William Hamleigh wie auch Waleran Bigod zunutze: Waleran baut sich eine Bischofsburg und will Philip ausschalten und selbst eine Kathedrale bauen, während William sich an Aliena grausam rächt, indem er die Burg ihres Vaters stürmt, den Vater seinem politischen Gegner ausliefert und Aliena vergewaltigt.

Prior Philip wiederum will sein Kloster, das unter seinem Vorgänger einen Niedergang erlebte, wieder zu Macht, Reichtum und Ansehen verhelfen und deshalb eine neue Kirche bauen. Da kommt es ihm sehr zupass, dass just in der Nacht, nachdem er Tom Builder samt Familie im Kloster aufgenommen hat, die alte Kirche niederbrennt. Niemand außer dem Leser und Tom Builder erfährt je, wie das zugegangen ist: Der kleine Jack hat sie angezündet, um dem Stiefvater Arbeit zu verschaffen. Tom wird Dombaumeister.

Verfeindete Protagonisten

Damit sind die Fronten abgesteckt: Auf der „guten Seite“ befinden sich Prior Philip, Tom Builder mit seinen Kindern und seiner neuen Geliebten und deren Sohn Jack, und Aliena und ihr Bruder Richard (denen der sterbende Vater im Gefängnis den Schwur abgenommen hat, dass sie nicht ruhen würden, bis sie die Grafschaft zurückerobert hätten).

Auf der „bösen Seite“ stehen Bischof Waleran Bigod und der überaus grausame William Hamleigh. Den ganzen Roman über geraten die beiden Seiten in immer neuen Konflikten aneinander. Das kann ich hier nicht ausbreiten, es ist jedenfalls spannend, mitreißend und aufregend, wie es sich für einen guten Roman dieses Genres gehört.

Meisterwerk des historischen Romans

Da Follett ein Meister seines Faches ist, wird der Roman nie langweilig, das versteht sich. Aber er überragt durchschnittliche historische Romane durch seine einprägsamen, interessanten Figuren, mit denen der Leser wirklich mitfühlen und -leben kann. Damit das überzeugend gelingt, braucht es auch eine entsprechende Länge, und die hat der Roman auch. Außerdem schafft es Follett ohne Schwierigkeiten, einem lebendig vor Augen zu führen, wie es bei einem Kathedralenbau so zuging und welche Innvationen der gotische Baustil brachte.

Übersetzt wurde er von gleich drei Übersetzern, darunter Till Lohmeyer, einem Bekannten meiner Mutter.

Der Roman wurde als achtteilige Fernseh-Miniserie verfilmt, die ich mir unbedingt kaufen muss.

Ken Follett: Die Säulen der Erde. Roman. Köln: Bastei-Lübbe-Taschenbuch, 2010. 1325 Seiten (incl. Nachwort und Leseprobe von „Sturz der Titanen“). Mit Farbabbildungen aus der Verfilmung.

Englische Originalausgabe „The Pillars of the Earth“ erstmals erschienen 1989.

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Follett: Fall of Giants

Wolfgang Krisai: Explosion. Aquarell.

Wolfgang Krisai: Explosion. Aquarell.

Eigentlich war es verrückt, ausgerechnet knapp vor der Matura zu diesem riesigen Wälzer mit 850 großen, eng bedruckten, englischsprachigen Seiten zu greifen. Ich wollte auch nur ein bisschen hineinschnuppern. Vergeblich. Ich kam nicht mehr los und fraß mich innerhalb weniger, aber extrem leseintensiver Tage (die Pfingstferien kamen mir da sehr zugute) durch das gewaltige Werk. Zum Glück erwies sich mein schon lange nicht mehr trainiertes Englisch als ausreichend sattelfest, sodass ich nicht ständig im Wörterbuch nachsehen musste.

Follett schreibt dermaßen spannend und interessant, dass man dieses Buch als ein Meisterbeispiel für das berühmte „delectare et prodesse“ bezeichnen kann. Dabei bedient er sich nicht etwa so dämlicher Spannungstricks wie der berühmte Dan Brown, sondern er erzeugt die Spannung durch abwechslungsreiche und vor allem inhaltliche Mittel.

Worum geht’s?

Laut Ken Follett, den ich auf der Buch Wien 2010 erlebte, wo er mir den Band auf signierte, ist das der erste Band einer „Quintologie“ über das Zwanzigste Jahrhundert, und im Großteil des Buches geht es um die zeit des Ersten Weltkriegs. Man erlebt den Krieg aus dem Blickwinkel verschiedenster Betroffener: des Walisischen Adeligen Fitzherbert, der als Offizier mitkämpft; des aus dem gleichen Waliser Ort stammenden Bergarbeiters Johnny, der als Korporal im Schützengraben kämpft und sich bewährt; dessen Schwester Ethel, die von Fitzherbert geschwängert wurde und gemeinsam mit dessen Schwester Maud für Frauenrechte und Frieden kämpft; der von Walter von Ulrich, eines deutschen Diplomaten, der kurz vor dem Krieg im Geheimen Maud geheiratet hat und nun gegen die Nation seiner Gattin sein Gewehr richten muss; der des amerikanischen Präsidentenberaters, der zur Waffe greifen muss, als Amerika schließlich in den Krieg eintritt; der des einfachen russischen Arbeiters Grigorij, der eigentlich nach Amerika auswandern wollte (aber seinem Filou von Bruder den Vortritt ließ, um diesen vor einer Verfolgung wegen Mordes zu retten), nun aber an die desorganisierte russische Front geschickt wird und später eine wichtige Rolle bei der bolschewistischen Revolution spielt; der seines Bruders Lew, der in Amerika die Verlobte des Präsidentenberaters schwängert und diese heiraten muss und damit Mitglied eines mafiösen Familienimperiums russischer Einwanderer wird, aber schließlich auch in den Krieg ziehen muss.

Die Handlung im Detail wiederzugeben würde jetzt zu viel Zeit brauchen. Sie war jedenfalls so packend, dass ich unbedingt gleich den passenden Band der Fischer Weltgeschichte nachschieben musste.

Buchdaten:

Follett, Ken: Fall of Giants.

Roman.

850 Seiten.

Deutsche Ausgabe: Sturz der Titanen.

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Popshot Issue 6

Wolfgang Krisai: Liebespaar. Bleistift. 2008.

Gestern kaufte ich am Westbahnhof – wo immer noch der beste Zeitschriften-Shop Wiens ist – das neueste Heft der britischen Poetry-Zeitschrift „Popshot“: The Love Issue.
Heute bereits durchgelesen, einige Websites der Illustratoren studiert und Unterrichtsideen entwickelt. Die Zeitschrift enthält 20 Liebesgedichte unterschiedlichster Art, und zu jedem Gedicht gibt es eine ganzseitige, originelle Illustration eines modernen Illustrators.
Die Zeitschrift erscheint halbjährlich. Und gefällt mir so gut, dass ich alle noch lieferbaren älteren Ausgaben bestellt und die zukünftigen Hefte abonniert habe.

Besonderes Highlight:
Jigsaw. Poem by Luke Wright

A marriage ist a boxless jigsaw puzzle
no guiding image and no guarantee
that pieces aren’t astray, no warranty.
Some soon decide it isn’t worth the trouble
when slotting parts together is no longer
enough. Some never see the bigger picture.
But patient couples, willing just to sit there
until at last they know which fragments fit
and which to lay aside for later on.
They help each other find the missing parts,
piece dreams together; side by side they sit.
And if there’s rules, they follow only one:
complete the frame, then work towards the heart.

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