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Siegfried Unseld: Reiseberichte

Wolfgang Krisai: Blick über den East River nach Manhattan. Tuschestift, Buntstift, 2017.

Aus an die 1500 Reiseberichten des goßen Verlegers Siegfried Unseld hat Lektor und Herausgeber Raimund Fellinger 35 ausgewählt und in einem großformatigen Bibliothek-Suhrkamp-Band vereint. Sie umfassen die Jahre 1959 bis 1998. Unseld starb 2002.

Blick hinter die Kulissen des Verlagsgeschäfts

Für mich, der diese Zeit zumindest zum Teil bewusst miterlebt hat und schon als Jugendlicher vor allem die Produktion des Suhrkamp-Verlags mit größtem Interesse, wenn auch nicht größter Kaufkraft, mitverfolgt hat, ist das eine äußerst interessante Lektüre, da man ein wenig hinter die Kulissen des Verlagsgeschäfts und über die Schulter gut bekannter Autor*innen schauen kann.

Chaville oder Ohlsdorf

Manchmal gelten die Reisen dem Besuch einzelner Autoren, so etwa Peter Handke oder Thomas Bernhard in ihren Dichter-Refugien in Chaville bzw. Ohlsdorf. Manchmal geht es ins westliche, manchmal ins östliche Ausland. Damals war ja großteils noch die DDR existent, wohin Unseld seine Fühler ausgestreckt hatte. 

Staatsbesuch in Russland

Interessant auch der offizielle Staatsbesuch in Russland als Mitglied der Delegation, die den deutschen Bundespräsidenten zu Präsident Jelzin begleitete. Unseld spielt dort nur eine Nebenrolle, sollte aber ad hoc die Finanzierung von Buchvorhaben zusagen.

Frisch beleidigt

In Paris oder New York trifft Unseld alle Arten von Leuten, die im Buchwesen eine Rolle spielen: Autor*innen bzw. deren Erb*innen, Verlagsmenschen und Buchhändler*innen. Es geht darum, Verträge auszuhandeln, Kontakte zu knüpfen oder zu erneuern, Verlegenheiten auszuräumen (z. B. wenn ein Autor seit Jahren auf eine Antwort des Verlags wartet) oder einfach etwas zu feiern. Zum Beispiel Max Frischs runden Geburtstag: Frisch lebte damals in New York, war während all der vom Verlag ausgerichteten Feierlichkeiten verstimmt und machte hinterher im privaten Rahmen seinem Ärger über Unseld Luft: Dieser habe ihn nicht genügend gewürdigt, ja, habe sogar Lügen verbreitet, die Geschenke seien mickrig gewesen (was sie nicht waren), usw. Manchmal brauchte Unseld schon eine sehr dicke Haut. Aber er steht eisern zu seinen Autor*innen, denn allein diese brächten die Werke hervor, von denen nicht nur sie selbst, sondern die gesamte Buch-Maschinerie mit ihren zahllosen Angestellten lebe.

Mit seinen 378 Seiten liegt der Band angenehm in der Hand, die 35 Reisen bieten einen guten Einblick in die Reisetätigkeit Unselds und machen Lust auf die Verlagschronik Siegfried Unselds, deren Band 1 über das Jahr 1970 bereits bei mir im Regal wartet.

Unseld, Siegfried: Reiseberichte. Bibliothek Suhrkamp 1451. Berlin, Suhrkamp, 2020. 378 Seiten. Bibliothek Suhrkamp 1451.

Bild: Wolfgang Krisai: Blick über den East River nach Manhattan. Tuschestift, Buntstift, 2017.

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