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Christine Zucchelli, Irmeli Wopfner: Anno 1613 von Tirol nach Rom. Die abenteuerliche Pilgerfahrt des Doktor Hippolyt Guarinoni

Die Kirche St. Karl Borromäus bei Volders in Tirol, geplant und erbaut von Hippolyt Guarinoni.

In diesem Buch geht es um „Die abenteuerliche Pilgerfahrt des Doktor Hippolyt Guarinoni“ im Jahr 1613 von Hall in Tirol nach Rom und zurück.

Guarinoni war Arzt und eine Art Vertrauter der Adeligen Damen des Damenstifts von Hall in Tirol, mir war er jedoch als Planer und Erbauer der Kirche St. Karl Borromäus in Volders ein Begriff.

Pilgergruppe zusammengetrommelt

Guarinoni trommelte eine ganze Pilgergruppe zusammen, darunter zwei Geistliche, mit der er sich auf den Weg machte. Er war der Anführer, der sich allerdings mit den Eigenheiten der Mitreisenden arrangieren musste. Da es eine Pilgerfahrt war, wurde auch unterwegs jede Gelegenheit genützt, um Reliquien zu besichtigen, Kirchen zu besuchen oder eine Messe zu lesen bzw. daran teilzunehmen.

Der Weg führte über folgende Stationen:

Innsbruck, Brenner, Brixen, Bozen, Trient, Verona, Ferrara, Ravenna, Rimini, Pescara, Ancona, Loreto, Assisi, von wo aus die Gruppe schließlich ans Ziel, nach Rom marschierte.

Kommunion vom Papst empfangen

Der rund einmonatige Aufenthalt in Rom um die Osterzeit wird für Besuche der sieben großen Ablass-Kirchen genützt, natürlich vor allem des Petersdoms, in dem auch immer wieder eine Messe besucht wird. Einmal hat Guarinoni sogar das Glück (dem er durch Kontakt mit der Schweizergarde nachgeholfen hat), bei der Messe ganz in der Nähe des Papstes zu stehen zu kommen, sodass er vom Papst persönlich die Kommunion ausgeteilt bekommt. Später gibt es auch noch eine Audienz beim Papst.

Ein Fan der Heiligen Francisca Romana

Wichtigstes Ziel für Guarinoni sind die Wirkungsstätten und das Grab seiner Lieblingsheiligen, der Francisca Romana. Deren Biographie hat Guarinoni aus dem Italienischen ins Deutsch übersetzt, dabei ist sie ihm offenbar ans Herz gewachsen. Als solchermaßen ausgewiesener „Fan“ der Heiligen kann er sogar mit deren Nachfolgerin im Kloster sprechen, bekommt von der Heiligen benützte und damit geheiligte Gegenstände gezeigt, darf, nachdem er hartnäckig Einlass begehrt hat, auch im Klostergarten auf ihren Spuren wandeln und den besonderen Klosterwein trinken.

Reliquien für Hall in Tirol

Für das Haller Damenstift beschafft er sogar die Leichname zweier Märtyrerinnen, der Heiligen Lea und Vincentia. Diese Reliquien werden mit größter Sorgfalt und Vorsicht nach Tirol transportiert, wo sie mit großer Freude entgegengenommen und mit einer Prozession von Innsbruck nach Hall in ihre neue „Heimstätte“ überführt werden.

Im Gegensatz zur eher ernst verlaufenen Hinreise ist die Rückreise lustiger, da sie einen Tiroler Transporteur engagiert haben, der auf seinem Saumpferd zwei Tragekörbe mit den beiden Reliquien-Behältnissen transportiert. Der Mann ist ein lustiger Kerl, der die Pilgergruppe immer wieder zum Lachen bringt.

Reise auf Guarinonis Spuren

Das Buch ist allerdings nicht einfach eine Ausgabe der – 24 Jahre nach der Pilgerfahrt erst geschriebenen – Reisebeschreibung Guarinonis. Die beiden Autorinnen haben das Werk überhaupt erst wiederentdeckt und dann beschlossen, die Reise auf Guarinonis Spuren genau nachzuvollziehen, was die Route, nicht aber, was das Zu-Fuß-Gehen betrifft, denn dann hätten sie am Bankett von Fernverkehrsstraßen gehen müssen. Wo es allerdings möglich ist, auf einem verkehrsfreien Wanderweg zu gehen, etwa zwischen Ravenna und Ancona, tun sie das, um ein Gefühl für das Pilgern zu Fuß zu bekommen.

Die beiden beschreiben nun ihre eigenen Reiseerlebnisse und -erfahrungen aus dem 21. Jahrhundert, liefern einen ausführlichen Reiseführer mit vielen Fotos und Informationen über alle besuchten Kirchen, zusätzlich noch eine Menge Hintergrundinformation – und dazwischen streuen sie Abschnitte aus der originalen Reisebeschreibung Guarinonis ein. Dessen barocke Sprache haben sie nicht in modernes Deutsch übersetzt, sodass man diese Abschnitt schon sehr konzentriert lesen muss, um sie überhaupt zu verstehen. Sie sind aber der interessante Teil des Buches. Das „Drumherum“ habe ich zum Teil diagonal gelesen, denn wie z. B. die Kirchen heute aussehen, muss ich nicht in diesem Buch lesen.

Insgesamt war es eine originelle und interessante Lektüre.

Zucchelli, Christine; Wopfner, Irmeli: Anno 1613 von Tirol nach Rom. Die abenteuerliche Pilgerfahrt des Doktor Hippolyt Guarinoni. Tyrolia-Verlag, Innsbruck – Wien, 2016. 304 Seiten.

Foto: W. Krisai.

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Brigitte Riebe: Die schöne Philippine Welserin. Historischer Roman

Wolfgang Krisai: Philippine Welser, Skizze nach einem Gemälde von 1557 auf Schloss Ambras. Bleistift, 2017.Ich las Brigitte Riebes historischen Roman über Philippine Welser als Vorbereitung auf die Ausstellung über Erzherzog Ferdinand II. von Tirol auf Schloss Ambras (15. Juni bis 8. Oktober 2017).

Tochter der zweitreichsten Handelsdynastie Deutschlands

Philippine ist ein Spross der zweitreichsten Handelsdynastie Deutschlands nach den Fuggern, der Welser. Berühmt wurde sie durch ihre geheime Ehe mit Erzherzog Ferdinand II. von Tirol.

Die Autorin behandelt Philippines Leben von der Jugend, wo sie Ferdinand kennengelernt hat, bis zu ihrem Tod 1580. Die Darstellung wechselt zwischen auktorial erzählten Kapiteln und Ausschnitten aus dem fiktiven Tagebuch der Heldin. Dabei wird kein Versuch gemacht, die Sprache etwa irgendwie historisierend zu gestalten, aber die Autorin verfällt auch nicht ins andere Extrem einer zu großen Verheutigung.

Eine kräuterkundige Frau

Die Großkapitel (die meist ein, zwei auktoriale und ein Tagebuch-Kapitel enthalten) sind nach Heilpflanzen benannt, zu denen jeweils eine Darstellung und eine Auflistung der guten und gefährlichen Eigenschaften der Pflanze beigestellt sind. Das kommt nicht von ungefähr, denn Philippine ist eine große Kräuterkundlerin und Medizinerin, ein Faktum, das historisch belegt ist. Im Roman lernt sie das alles von ihrer ebenso kundigen Mutter Anna, die sich mit der Kräuterkunde über ihre unglückliche Ehe hinwegtröstet.

Ehe gegen den Willen des Kaisers

Philippines Ehe mit Ferdinand hingegen ist zum Großteil glücklich. 1557 schließen die beiden eine geheime Ehe, gegen den Willen des Vaters Ferdinands, Kaiser Ferdinands I.. Als dieser von der Sache erfährt, muss er sich wohl oder übel dem Willen des Sohnes beugen, denn die Ehe ist nicht mehr rückgängig zu machen. Der Kaiser bestimmt aber, dass Ferdinands Kinder aus dieser Ehe von der Erbfolge der Habsburger ausgeschlossen werden. Immerhin aber werden sie gut versorgt.

„Findelkinder“

Zunächst lebt Philippine auf einem Schloss Pürglitz bei Prag, da Ferdinand Statthalter von Böhmen ist. So oft es geht, kommt er Philippine besuchen. Diese ist über die große Liebe ihres Mannes glücklich, wenn auch nicht darüber, dass sie vor der „Welt“ bloß als dessen Konkubine und ihre Söhne Andreas und Karl als „Findelkinder“ gelten. Die Kinder werden nämlich gemäß eines damals üblichen Ritus geheim zur Welt gebracht, dann wie Findelkinder vor das Schlosstor gelegt, „gefunden“ und der Schlossherrin in die Obhut gegeben.

„Mutter Tirols“

Ab 1567 wohnt Philippine auf Schloss Ambras bei Innsbruck, da Ferdinand inzwischen Herzog von Tirol geworden ist. In Tirol erwirbt Philippine sich durch ihre medizinischen Kenntnisse, die sie zum Wohl der Bevölkerung einsetzt, bald einen guten Ruf als die „Mutter Tirols“.

Erst 1576 dürfen die Eheleute sich öffentlich zu ihrer Ehe bekennen, da der Papst Ferdinand von seinem Schweigegelübde entbindet.

Insgeheim bereitet Ferdinand zu dieser Zeit jedoch schon eine weitere, dynastisch passende Ehe mit seiner Nichte aus Mantua vor, was Philippine im Roman herausfindet und resigniert mitverfolgt, indem sie Ferdinands Briefe liest.

Versuche, Philippine zu vergiften

Den ganzen Roman durchzieht das Kräuter-Thema, nicht nur positiv, sondern vor allem auch negativ, denn Philippine ist fortwährend der Gefahr ausgesetzt, vergiftet zu werden. Das beginnt schon auf Brednitz, dem Schloss ihrer Tante Katharina, wo die Hochzeit geschlossen wird. Schon davor will sie eine Dienstmagd – offensichtlich in höherem Auftrag – vergiften, wird aber ertappt und eingesperrt. Doch kurz darauf ist sie für immer verschwunden.

Eine Kammerfrau, der Philippine vollstes Vertrauen geschenkt hat, erweist sich ebenfalls als Giftmischerin. Und zuletzt versucht es noch eine Schwägerin, die lebenslustige, aber bankrotte Eva, doch dieses leicht durchschaubare Vorhaben kann Philippine rechtzeitig aufdecken.

Durch diese kriminelle Seite der Handlung bekommt der Roman seine Würze.

In einem Anhang erläutert die Autorin, inwieweit ihr Roman historisch „wahr“ ist.

Seltsamer Weise wird der Roman auf dem Umschlag als „historischer Kriminalroman“, auf dem Innentitel jedoch als „historischer Roman“ bezeichnet. Die Ambivalenz kommt wohl von der recht schwachen Ausprägung der Krimi-Handlung.

Brigitte Riebe: Die schöne Philippine Welserin. Historischer Roman. Gmeiner-Verlag, Maßkirch, 2013. 337 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Philippine Welser, Skizze nach einem Gemälde von 1557 auf Schloss Ambras. Bleistift, 2017.

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