Monatsarchiv: Oktober 2015

Martin Walker: Germany 2064

Wolfgang Krisai: Martin Walker und Schauspielerin bei seiner Lesung in der Buchhandlung Frick, Wien, am 13. 10. 2011. Bleistift und Tuschestift-Skizze.Martin Walker ist nicht nur Autor der im französischen Périgord spielenden Krimiserie um „Bruno, Chef de police“, sondern Journalist und Mitglied des Think Tanks „Global Business Policy Council“. In seinem Zukunftsthriller „Germany 2064“ verbindet er diese Berufsfelder, wie er im Nachwort berichtet. Sein Think Tank sollte eine Studie ausarbeiten, wie Deutschland im Jahre 2064, also in 50 Jahren, aussehen werde. „Meine Kollegen hatte die schöne Idee, dass meine Fähigkeiten als Schriftsteller helfen könnten, manche der von uns erörterten Zukunftsthemen in einem Roman besser vorstellbar zu machen, als es die übliche Expertenkommunikation ermöglicht.“ (Nachwort, S. 428f).

Dem Ergebnis merkt man diese Entstehungsgeschichte durchaus an, was vielleicht vom Standpunkt des Thriller-Lesers nicht immer erfreulich ist, an Zukunftsszenarien interessierte Leser, insbesondere jene, die wissen wollen, inwieweit Roboter darin eine Rolle spielen werden, aber mit viel Stoff zum Nachdenken versorgt.

Robotik und künstliche Intelligenz

Man könnte nämlich sagen, der Roman handelt von der Zukunft der Robotik und der künstlichen Intelligenz, und die „Hauptfigur“ ist der AP (= Automatisierte Partner) Roberto des Polizisten Bernd Aguilar. Dieser Roberto ist ein Roboter, sein Name also ein Anagramm, und er wurde kürzlich bei einem Einsatz zusammengeschossen, als er sich schützend vor seinen „Herrn“ warf und ihm damit das Leben rettete. Zu Beginn des Romans kommt Roberto nun nach Reparatur und bei dieser Gelegenheit vorgenommenem Upgrade aus der Herstellerfirma „Wendt“ zurück zu Bernd, der gleich merkt, dass Roberto nun noch viel mehr kann als zuvor. Nicht nur ist er ein blitzschneller Recherchierer, sondern er denkt und handelt auch schon sehr menschlich, zumindest was detektivische Schlüsse und polizeiliche Maßnahmen betrifft. Damit es nicht gar zu unheimlich wird, hat Walker ihm aber Schwächen wie die Unfähigkeit, elegant in ein ihm noch unbekanntes Auto einzusteigen, mitgegeben. Warum sollten Roboter keine kleinen Schwächen haben, macht sie das nicht erst recht menschlich?

Selbstfahrende Vehikel

Apropos Autos: 2064 fahren natürlich auch keine Autos in unserem Sinn durch die Gegend, sondern praktisch nur noch selbstfahrende Vehikel aller Art, sei es für den Personen-, sei es für den Lastentransport.

Ein Konvoi aus hundert selbstfahrenden Containern wird im allerersten Kapitel Ziel eines Raubüberfalls: In einem der Container befinden sich überaus teure Neobiotika (also Medikamente, die gegen alle Antibiotika resistente Bakterien dennoch umbringen), und diese werden in einer filmreifen Actionszene von perfekt ausgerüsteten und trainierten Dieben aus dem fahrenden Konvoi gestohlen. Dieses Kapitel eröffnet den Roman mit großem erzählerischem Schwung, aber erst auf Seite 278 kommt die Handlung wieder auf dieses Verbrechen zurück. Inzwischen hat sich der erzählerische Impetus in der weit verzweigten Handlung, die ich hier aus Platzgründen und um nicht zuviel zu verraten nicht nachzeichne, etwas verloren.

Referate über die Zukunft

Warum? Das liegt wohl an der Herkunft des Szenarios aus oben erwähnter Studie. Das hautnah erzählte unmittelbare Geschehen, das mit vielen direkten Reden gespickt ist, driftet immer wieder in referierende Passagen von mehreren Seiten Länge ab, die, so scheint es, all das, was sich aus Gründen der Länge nicht durch Handlung vorstellen lässt, trotzdem in den Roman packen sollen. In groben Zügen wird man über die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und historische Situation im Jahr 2064 ins Bild gesetzt.

Schule 2064

Sogar das Schulwesen bekommt einige Seiten zugestanden, auf denen Walker einer romantischen Reformschule das Wort redet, wo die Schüler ihre Zeit mit Musikmachen, Theaterspielen, Kochen und Feste-Feiern verbringen, in Werkstätten Radioempfänger basteln, im Schulgarten Kräuter ernten und im angegliederten Stall Schweine füttern. Ja, Computer programmieren gehört auch dazu. Genauso wie Wandern und Zelten auf mehrtägigen Klassenfahrten. Das alles unter reger Elternbeteiligung und gecoacht von „vorzüglich ausgebildeten“ und „angemessen bezahlten“ Lehrern (S. 307ff).

Zwei Welten

Auffällig ist, dass die Zeit zwischen 2014 und 2064 nur durch ein paar markante Ereignisse wie die Revolution von 2048 gefüllt wird. 2048 ist natürlich kein zufälliges Datum, sondern ein Jubiläumsjahr, hat es doch schon 1848 Revolutionen gegeben. Die Revolution von 2048 hat zur Zweiteilung Deutschlands in übertechnisierte Wohlstandszonen und „Freie Gebiete“ geführt, wo die Menschen bewusst alle nach 1980 erfundenen technischen Neuerungen ablehnen und im Stil von Landkommunen dem Biobauerntum und einem naturnahen Lebensstil frönen. Das sieht auf den ersten Blick nach der typischen dystopischen Situation aus: Wohlstandsinseln unterm Glassturz, umzingelt von revolutionär gärenden Armutsgebieten. Doch so einfach machte es sich Walker nicht, denn er stellt beide Lebensstile positiv dar, wenn auch nach konträren Idealen ausgerichtet.

Der Großindustrielle und Roboterhersteller Wendt, ein über hundert Jahre alter Magnat, gerät zwischen die beiden Welten, da seine Urenkel, denen er demnächst seine Firmen vererben will, in die „Freien Gebiete“ abgewandert sind und dort lieber Dokumentarfilme drehen oder Songs zur Gitarre komponieren.

Mit Musik hat der Plot des Romans zu tun, denn es geht zunächst darum, eine in der Pause eines ihrer Konzerte spurlos verschwundene Sängerin aus den „Freien Gebieten“ wiederzufinden. Polizist Bernd und sein AP Roberto werden auf den Fall angesetzt, entdecken aber schnell, dass sich dahinter ein weitläufiges System krimineller Machenschaften auftut, zu dem eben zum Beispiel auch der Überfall auf den Containerkonvoi vom Romanbeginn zählt.

Stil

Dem Leser werden ziemliche Gedächtnisleistungen abverlangt, wenn er über die zahlreichen wichtigeren Romanfiguren, die abwechselnd in den an unterschiedlichen Schauplätzen angesiedelten Kapiteln auftreten, nicht den Überblick verlieren will. Stilistisch hingegen läuft alles angenehm glatt und elegant, wie es einem Szenario entspricht, in dem die Polizei ihre Gegner nicht mehr durch tödliche Schüsse, sondern mittels blitzartig aushärtenden Immobilisierungs-Schaums handlungsunfähig macht.

Martin Walker: Germany 2064. Ein Zukunftsthriller. Zürich, Diogenes, 2015. 430 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Martin Walker und Schauspielerin bei seiner Lesung in der Buchhandlung Frick, Wien, am 13. 10. 2011. Bleistift und Tuschestift-Skizze.

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Wolfgang Straub: Carl Ritter von Ghega

Wolfgang Krisai: Dampflok 52 als Museumslok in Simbach am Inn. Tuschestift, 2010.2004 startete der Styria-Verlag offenbar eine Reihe „Biografische Bibliothek“, die über den ersten Band nie hinausgekommen ist. Dieser, geschrieben von Wolfgang Straub, widmet sich Carl Ritter von Ghega.

In Venedig geboren

Nach dem Band „Österreichs Spuren in Venedig“, den ich vor Kurzem gelesen habe, ist das die ideale Ergänzung, denn Ghega wurde in Venedig geboren, und zwar 1802. Seine Jugend und Ausbildung fiel folglich in die Zeit der österreichischen Herrschaft in Venedig, und so war es logisch, dass er zum österreichischen Eisenbahningenieur wurde, als den man ihn gemeinhin kennt.

Sein Vater war ein arsenalotto, also ein im streng geheimen Arsenal beschäftigter Angestellter. Der Sohn sollte ihm nachfolgen, schlug aber, als hoch begabter junger Mann, eine technische Ausbildung ein und wurde Ingenieur für Straßen-, Brücken-, Wasser- und schließlich Eisenbahnbau. Die Bereiche waren damals noch nicht ganz ausdifferenziert, sodass ein Mann wie Ghega sich zeitlebens mit allen diesem Dingen beschäftigen konnte. Die Eisenbahn wurde ab 1835 allerdings zum bedeutendsten Innovations- und Erfolgsgebiet, und Ghega in diesem Fach zu einem der führenden Köpfe weltweit.

Welches Antriebssystem?

Während die Anfangszeit der Eisenbahn in Österreich in den Händen von Privatunternehmern wie Rothschild lag, wendete sich bald das Blatt, als man erkannte, dass ein vernünftiges Eisenbahnnetz ohne staatliche Generalplanung und -aufsicht nicht entstehen würde und die Privaten zu sehr auf ihren Profit und weniger auf das verkehrsmäßige Gemeinwohl schauen würden. In dieser Phase schlug Ghegas große Stunde, er wurde zum obersten Eisenbahnbeamten des Kaiserreichs und mischte mit bei der Generalplanung aller österreichisch-ungarischen Bahnlinien oder bei der Frage, welche Antriebsformen verwendet werden sollten. Damals war nämlich noch nicht ausgemacht, dass die Dampflokomotiven, denen Ghega die größten Chancen gab, die Triebfahrzeuge der Zukunft sein würden, sondern man dachte auch an Pferde (wie bei der Pfeirdeeisenbahn Budweis – Linz – Gmunden), an das untaugliche und heute vergessene System der „Atmosphärischen Bahn“, bei dem die Fahrzeuge durch in ein Rohr eigreifende Kolben, die vom im Rohr erzeugten Vakuum vorangezogen würden, bewegt werden sollten, oder im Gebirge an steile Schienenwege mit Seilzügen. Legendär ist der von Ghega veranstaltete Lokomotivwettbewerb für die Semmeringstrecke, bei dem sich keine der vier angetretenen Loks als wirklich tauglich erwies, der aber immerhin soviel Erkenntnisse brachte, dass der Ingenieur Wilhelm Engerth dann eine taugliche Semmering-Tenderlok kostruieren und bauen lassen konnte.

Formvollendet in die Landschaft eingebettet

Ghega bereiste England und Amerika, um die dortigen Eisenbahnsysteme kennenzulernen und zu studieren. In Amerika lernte er Eisenbahnen von höchster Effizienz bei gleichzeitig geringen Kosten kennen. Auch er selbst strebte natürlich preisgünstige Bahnbauten an, war aber andererseits Ästhet genug, um seine Bahnlinien formvollendet in die Landschaft einzubetten und anstelle der amerikanischen Holzbrücken, wie man sie aus Wildwestfilmen heute noch kennt, die schönen Ziegelviadukte zu bauen, die seine Bahnlinien zu Sehenswürdigkeiten werden ließen.

Semmeringbahn

Die Strecke, mit der er am meisten zu tun hatte, war die Südbahn von Wien nach Triest. Ghega ist im öffentlichen Bewusstsein der Erbauer der Semmeringbahn von Gloggnitz nach Mürzzuschlag. Man stellt ihn sich als den Ingenieur vor Ort vor, der im Gelände herumstapft, Trassen plant und Bauarbeiter-Scharen befehligt. Diese Vorstellung ist aber falsch. Denn Ghega war damals, um 1850, bereits der oberste Eisenbahn-Beamte und nur noch selten tatsächlich auf den Baustellen zu sehen. Planung und Ausführung der Semmeringstrecke oblagen nicht nur ihm, sondern seinem ganzen Team von Ingenieuren, dessen führender Kopf er allerdings war. Die enge Assoziation Ghega – Semmering ist jedoch erst auf posthume Mythenbildung zurückzuführen.

Ghega plante und baute auch gewaltige Viadukte zwischen Laibach und Triest, die allerdings leider nicht erhalten sind. Sie hätten der bis heute weltgrößten Eisenbahnbrücke aus Ziegeln, der sächsischen Göltzschtalbrücke, durchaus Konkurrenz gemacht, wenn schon nicht in der Höhe, so doch in der Länge. Leider erfährt man im Buch nicht, weshalb sie nicht erhalten sind. Ich vermute: Kriegszerstörungen.

Revolution 1848

Der Autor geht auch der Frage nach, inwieweit die Revolution von 1848 und der Semmeringbahnbau zusammenhängen: Anzunehmen ist, dass der österreichische Staat 1848 die Gelegenheit gerne ergriff, tausende Arbeiter aus Wien an den Semmering wegzuschaffen, wo sie halbwegs friedlich arbeiteten, statt auf die Barrikaden zu steigen. Die Verhältnisse, unter denen die Arbeiter vegetierten, wären allerdings durchaus Anlass zu möglichen Protesten gewesen, denn sie waren schlicht menschenunwürdig. Ghega verschwendete darauf keinen Gedanken, das war Sache der Subunternehmer, die die einzelnen Bauabschnitte errichteten.

Trockener Typ

Ghega war kein von Mitgefühl, ja von Gefühlen überhaupt überströmender Mensch. Sein Privatleben hielt er offenbar für uninteressant, dementsprechend hob er keine Briefe auf, schrieb kein persönliches Tagebuch, und seine einzige autobiographischen Äußerung ist eine „Diensttabelle“, in der er aufzählt, welche Ausbildungen, Dienststellen und Planungsaufgaben er wann absolvierte bzw. innehatte. Ein eher trockener Typ also – obwohl er als in Gesellschaft angenehm und unterhaltend geschildert wird.

Dem Staat ging bald nach 1850 immer mehr das Geld aus, sodass die Doktrin der staatseigenen Eisenbahn aufgegeben werden musste. Die staatseigenen Bahnen wurden nach und nach an Private verkauft, bis schließlich alles verkauft und der Posten des „Generalinspektors der Staatsbahnen“ sinnlos war. Ghega hätte, zumal er keineswegs ein Gegner privater Eisenbahnen war, wohl problemlos als hoher Manager bei einer Privatbahn einsteigen können, tat dies aber nicht. Er wurde 1859 ins Finanzministerium übernommen, über seine Tätigkeit dort ist allerdings nichts bekannt, weil er sie wahrscheinlich nie ausgeübt hat. Denn schon 1860 erlag er der „Lungensucht“, also vermutlich Tuberkulose.

Ghega-Mythos

Nach seinem Tod begann langsam die Bildung eines nicht ganz realistischen Ghega-Mythos. 1869 errichtete man am Semmering ein Ghega-Denkmal, Reden wurden geschwungen, Artikel veröffentlicht. Im Lauf der Zeit wurden vier Roman über Ghega geschrieben, allesamt von heute vergessenen Autoren. Allerdings ist die Semmeringbahn auch in einem literarisch hochwertigen Roman ausführlich geschildert, in Heimito von Doderers „Die Wasserfälle von Slunj“. Und die älteren Österreicher kennen sein Portrait noch vom 20-Schilling-Schein.

Die Biographie ist gut lesbar geschrieben, vermittelt ein überblicksmäßiges Bild der Entwicklung des Eisenbahnwesens in Österreich bis etwa 1860 und natürlich ein sehr detailreiches von Ghega selbst. Die Abbildungen ergänzen den Text, ohne ihn zu überwuchern. Am Schluss befindet sich neben den üblichen Verzeichnissen auch ein tabellarischer Lebenslauf. Dem fadengehefteten und mit einem Lesebändchen versehenen Band ist eine eineinhalb Meter lange „Perspectivische Ansicht der Semmeringbahn von Payerbach bis zum Semmeringtunnel“ beigegeben.

Wolfgang Straub: Carl Ritter von Ghega. Biografische Bibliothek Styria Band 1. Styria-Verlag, Wien 2004. 238 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Dampflok 52 als Museumslok in Simbach am Inn. Tuschestift, 2010.

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Eugen Semrau: Österreichs Spuren in Venedig

Wolfgang Krisai: Via Giuseppe Garibaldi, Venedig. 2015. Tuschestift, Buntstift, z. T. mit Wasser vermalt.Ein historischer Abschnitt, der wenig in das heroische Geschichtsbild Venedigs und der Republik Italien passen will, ist die österreichische Herrschaft in Venetien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Eugen Semrau in einem schön gestalteten Band darstellt.

Eine österreichische Provinzhauptstadt

Tatsächlich merkt der Venedig-Tourist heute kaum etwas davon, dass vor 200 Jahren Venedig eine österreichische Provinzhauptstadt war. Wer zum Beispiel beim Besuch der Biennale auf dem Weg vom Arsenal zu den Giardini die Via Garibaldi quert, wird sich nicht bewusst sein, dass diese ungewöhnlich breite Straße während der österreichischen Herrschaft angelegt wurde, indem der dortige Rio zugeschüttet wurde. Die Giardini selbst stammen ebenfalls aus dieser Zeit. Auch die höchstens für venezianische Briefträger durchschaubare Hausnummerierung und der Brauch, dass vor den Cafés am Markusplatz Musikkapellen aufspielen, stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Positiv zu vermerken sind die denkmalschützerischen Maßnahmen der österreichischen Behörden, die manche venezianische Kirche vor dem Verfall bewahrten. Österreich bemühte sich außerdem, aus dem im Grunde noch immer mittelalterlich regierten Venedig eine moderne Stadt zu machen.

Politische Tauschhändel

Insgesamt allerdings war die österreichische Herrschaft nicht gerade die glorreichste in der Geschichte der Stadt. Das beginnt schon mit dem Erwerb: Venedig wurde Österreich von Napoleon 1798 im Tausch gegen niederländische Gebiete zugeschanzt. 1797 hatte ja der letzte Doge abgedankt, die Franzosen rückten ein und machten sich bei den Venezianern unbeliebt, sodass diese den Wechsel zu Österreich als „kleineres Übel“ sahen.

Drei Perioden österreichischer Herrschaft

Die österreichische Herrschaft gliedert sich in drei Perioden: 1798-1806, danach fiel Venedig wieder an Frankreich; 1814-1848, danach gab es revolutionsbedingt eineinhalb Jahre eine Republik Venedig, 1849-1866, danach wurde Venedig Teil des neuen Königreichs Italien, und zwar wieder als Ergebnis eines Schachers: Österreich hatte als Verlierer der Schlacht von Königgrätz 1866 Venetien an Frankreich abzutreten, das das Gebiet aber dem neuen Königreich Italien überließ.

Chancen nicht genützt

Die Chancen, die der Besitz Venedigs vielleicht geboten hätte, nützte Österreich allerdings während der 60 Jahre seiner Herrschaft nicht. Weder die seefahrerischen Stärken noch die Handelserfahrung Venedigs konnten sich neu entfalten, die Schiffsproduktion im Arsenal dümpelte vor sich hin, die Flotte schrumpfte auf Mini-Format, in der Stadt kam es zu keinem wie auch immer gearteten Boom, höchstens in Sachen Zensur und Bürokratie, wo die Österreicher den Italienern damals nicht nachstanden.

Der Band enthält neben Semraus ausführlicher Darstellung ein Vorwort von Miguel Herz-Kestranek und eine längere historische Einführung von Antonio A. Rizzoli. Zahlreiche Fotos und Farbabbildungen ergänzen den Text. Der Zugehörigkeit zur Reihe „styria premium“ ist die Fadenheftung zu verdanken.

Eugen Semrau: Österreichs Spuren in Venedig. styria premium. Styria-Verlag, Wien u. a., 2010. 156 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Via Giuseppe Garibaldi, Venedig. 2015. Tuschestift, Buntstift, z. T. mit Wasser vermalt.

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