Alena Urbankova: Unterwegs nach Syrakus

Wolfgang Krisai: Terracina: Duomo. 2002. - Auf diesem Platz saß acht Jahre später auch Alena Urbankova und grübelte über ihren Reisestil nach.

Wolfgang Krisai: Terracina: Duomo. 2002. – Auf diesem Platz saß acht Jahre später auch Alena Urbankova und grübelte über ihren Reisestil nach.

2009/10 ging die Professorin für Landschaftsdesign der Universität für Angewandte Kunst, Alena Urbankova (jeweils auf gut Tschechisch auf der ersten Silbe zu betonen), auf den Spuren von Johann Gottfried Seume (siehe unten!) von Wien bis ins sizilianische Syrakus.

Das Buch schildert diese große Wanderung minutiös, Tag für Tag. Urbanova machte den Weg in drei jeweils einige Monate auseinanderliegenden Etappen: Wien – Padua, Padua – Rom bzw. Abstecher nach Neapel und zuletzt Rom – Syrakus.

Seume nahm ungefähr den gleichen Weg, allerdings hielt sich Urbankova nicht sklavisch an seine Route, sondern machte Umwege, um passend zu ihrem Beruf immer wieder Gärten aller Art zu besichtigen, unter anderem so berühmte wie den Garten von Bomarzo nördlich von Rom. Außerdem ging sich nicht die gesamte Strecke zu Fuß, sondern benützte hin und wieder Busse, Züge oder Taxis, so wie auch Seume gelegentlich in die Postkutsche stieg.

Um ihre Reise mitzuverfolgen unterbrach ich die Lektüre meines anderen „Wanderjahre“-Buches, jenes von Gregorovius.

Urbankova scheint kein schönfärberisches Bild der Wanderung geben zu wollen, sondern sie erzählt bewusst auch alles Unerfreuliche. Und dessen gibt es leider genug:

schlechtes Wetter

schlecht markierte Wege

verkehrsreiche Straßen

Irrwege

unzulängliche Landkarten

falsch informierende Reiseführer

ausgestorbene Dörfer ohne Hotel

mühsame Quartiersuche

Dreisternhotels von Einsternqualität

heruntergekommene Zimmer

harte Betten

lieblos gemachtes Essen

gar kein Essen

unergiebiges Frühstück

misstrauische und wortkarge Landbevölkerung

Hunde

fehlende Pinkelmöglichkeiten

unpünktliche Busse und Bahnen

verwahrloste Bauten

zugemüllte Strände

abblätternde Kirchen

grässlich verbaute Peripherien

geschlossene Museen

abgezäunte Sehenswürdigkeiten

usw.

usw.

Man muss den Eindruck gewinnen: Italien hat unter Berlusconi einen schrecklichen Niedergang erlebt. Das wird wohl leider stimmen. Es fehlt das Geld für die nötigen Sanierungen, man denke nur an Pompeij, das langsam verfällt. Und vor allem die Süditaliener zeigen auch wenig Neigung, durch persönlichen Einsatz die Situation zu verbessern, etwa, indem sie ihren Müll nicht systematisch in der Landschaft verteilen.

Gibt’s auch Positives?

Zugegeben: ja. Manchmal. Zum Beispiel schöne Hotels, nette Vermieter, üppiges Essen, sonniges Wetter, überwältigende Ausblicke, großartige Kirchen, idyllische Gärten, usw.

Und wie ist das Buch geschrieben?

Durchaus lesbar, wenn auch nicht unbedingt brillant. Das muss man von einem Reisetagebuch einer Landschaftsdesignerin auch nicht erwarten. Jeder Tag füllt rund zwei Seiten, sodass sie sich auch nicht an gewissen Sachen zu sehr festbeißt.

Vor jedem der drei Abschnitte steht eine zusammenfassende Seite, die sozusagen einen Ausblick gibt, und dann „geht“ sie in medias res.

Die Italiener sind ja nicht in der Lage, auch nur drei deutsche Wörter in einem italienischen Buch korrekt zu schreiben. Dieses Buch ist nun die Rache: Hier ist jedes dritte italienische Wort falsch geschrieben, und das, obwohl z. B. Ortsnamen ganz leicht zu googeln wären. So heißt es zum Beispiel „Latissana“ statt „Latisana“, und das gleich mehrmals, oder „quardi“ statt „guardi“ („sehen Sie!“). Ich habe die Fehler nicht angestrichen und kann daher jetzt keine Zitatenliste bieten. Die Autorin, die zugibt, nur schlecht Italienisch zu können, ist hier außer obligo, aber der Verlag… – ist eben auch nur ein provinzieller, wo es zu sprachlicher Genauigkeit auch nicht reicht.

Immerhin gibt es wenigstens im Deutschen nur wenige Fehler, das ist schon mal etwas.

Der Band ist allerdings, das sei hervorgehoben, in bewährter Bibliothek-der-Provinz-Manier sehr solide gemacht, mit schwerem Papier und Fadenheftung.

Er ist außerdem illustriert, und zwar einerseits zwischen den Etappen jeweils mit einer Lage Reproduktionen jener selbst gezeichneten Ansichtskarten, die Urbankova an die Angewandte geschickt hat (vielleicht lief dort ihre Wanderung als „Kunstprojekt“), die sehr stark abstrahierend die Landschaft wiedergeben, und andererseits mit vielen Fotos. Diese sind klein wiedergegeben und haben keine Bildlegende. Daher muss man entweder wissen oder anhand des in der Nähe befindlichen Textes erschließen, was da drauf ist. Das ist nur vielfach nicht exakt möglich, daher sind diese Bilder eher ein schmückendes Beiwerk als eine erhellende Zusatzinformation. Vielleicht wären Bildunterschriften schon eine unzulässige Anbiederung an den Leser? Soll er doch im Unklaren bleiben, das ist viel exklusiver im wörtlichen Sinne!

Ok, trotz dieser Mängel: ein interessantes Buch.

Alena Urbankova: Unterwegs nach Syrakus. Eine Wanderung auf den Spuren von Johann Gottfried Seume. Verlag Bibliothek der Provinz, Wien (neu! nicht mehr Weitra!), 2012. 295 Seiten.

Ergänzend sei hier noch meine Lesetagebuch-Eintragung zur Lektüre von Johann Gottfried Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ vom 12. 1. 1986 zitiert:

Gestern schloss ich Johann Gottfrieds Seumes „Spaziergang von Leipzig nach Syrakus“ ab. 400 Seiten Mischung aus politischer Kritik und Kritik der Wirtshäuser am Weg. Neben diesen Dominanten fallen die Betrachtung von Kunstwerken oder die Beschreibung des Weges (mit Ausnahme der ständigen Räuber-Gefahr) stark zurück. Seume verweist deshalb immer auf die Möglichkeit, sich solches aus anderen Büchern besser zu beschaffen.

Das Buch liest sich – auch angesichts seines geringen Umfanges – recht flott.

Was mir nicht klar wurde und auch nicht in einem Vor- oder Nachwort meiner puristischen Ausgabe erklärt ist: Wer jenes „Du“ ist, an den sich Seume wendet. Der Leser dürfte es nicht sein; vermutlich also ein Freund, der aber nicht in Leipzig wohnt – denn von dort schreibt ihm Seume auch noch einen Brief – , sondern vielleicht im heimatlichen Grimma? Und die zweite Frage ist: Wurden diese „Briefe“ abgeschickt oder gesammelt, wurden sie für die Veröffentlichung redigiert – oder wurden sie überhaupt fingiert?

(Alena Urbankova erwähnt, dass der Briefpartner fingiert sei.)

Johann Gottfried Seume: Spaziergang von Leipzig nach Syrakus im Jahre 1802. Greno, Nördlingen, 1985. Die Andere Bibliothek. 431 Seiten.

Da heuer am 29. Jänner der 250. Geburtstag von Seume (1763 – 1810) war, gibt es derzeit wieder einiges zu diesem Autor auf dem Buchmarkt, nicht nur mehrere Spaziergang-Ausgaben, sondern auch eine Biographie.

Und mir fällt bei dieser Gelegenheit ein, dass ich auch Seumes Autobiographie „Mein Leben“ habe, und zwar in der Ausgabe der „Krater-Bibliothek“, die, ebenfalls von Franz Greno verlegt, in den 80erJahren nicht über wenige Bände hinausgekommen ist. Sollte ich vielleicht auch endlich lesen…

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